Todeskampf am Nanga Parbat
Drama im Himalaya: Die drei Südtiroler Bergsteiger Karl Unterkircher, Walter Nones und Simon Kehrer wollten auf den Nanga Parbat. Doch Unterkircher stürzte in eine Gletscherspalte. Seine Kameraden sitzen auf 6000 Metern fest, und der einzige Weg zurück führt über den Gipfel.
Silke Unterkircher hat sich – jedenfalls nach außen – mit dem Unfassbaren abgefunden: „Sie haben sicher alles getan, um ihn zu retten. Leider gibt es, soviel ich weiß, kaum noch Hoffnung“, sagt die junge Frau und Mutter von drei Kindern aus Wolkenstein im Südtiroler Grödnertal in einem Interview zu der Nachricht, dass ihr Mann Karl (38) in der Rakhiot-Eiswand am Nanga Parbat in eine Gletscherspalte gestürzt ist und von seinen beiden Bergkameraden Walter Nones und Simon Kehrer nicht geborgen werden konnte.
Es ist ein unvorstellbares Drama, das sich gerade an dem mit 8125 Meter neunthöchstem Berg der Erde abspielt. Unterkircher und seine beiden Freunde waren aufgebrochen um über eine bislang unbezwungene Route die Rakhiot-Eiswand zu durchsteigen und den „Schicksalsberg der Deutschen“ zu bezwingen.
Sie haben sich gut vorbereitet, haben zur Vorbereitung den benachbarten Chogora erstiegen – auch um von dort aus zu erkunden, ob man vom Nanga Parbat mit Skiern abfahren kann.
Trotzdem wird es Karl Unterkircher, der als einer der besten Bergsteiger der Welt gilt, beim Anblick der mächtigen Wand leicht mulmig. Am vergangenen Sonntag schreibt er im Basislager in sein Online-Tagebuch: „Ich liege in meinem Zelt und versuche, ein Buch zu lesen. Aber ich kann mich nicht konzentrieren, denn wie besessen haftet der Gedanke an diese Wand. Diese verwunschene zerklüftete Eiswand mit den vielen Gletscherspalten.“ Und der Bergsteiger drückt auch aus, vor was er sich fürchtet: „Angst und Kopfzerbrechen bereiten mir die Eisklumpen, die sich ständig von der zerklüfteten Eiswand lösen.“
Karl Unterkircher denkt sogar daran, auf die gewaltige Tour zu verzichten: „In meinen Verantwortungsbewusstsein empfinde ich so etwas wie Furcht, ich denke oft an zu Hause, an meine Lieben. Das beste um sicher zu gehen und Unvorhergesehenes zu verhindern, wäre natürlich, von diesem Projekt auszusteigen.“
Zwei Tage später tritt tatsächlich das Unvorhergesehene ein. In einer Höhe von 6000 Metern rutscht der Südtiroler auf einem Schneebrett aus und stürzt in eine Gletscherspalte. Nones und Kehrer sehen ihn liegen, versuchen mehrere Stunden lang ihn zu bergen – doch das ist in der extrem steilen Wand nicht möglich.
Über ein Satellitentelefon, dem aber nach kurzer Zeit der Strom ausgeht, melden sich die beiden – und berichten von ihrer verzweifelten Lage. Ein Abstieg nach unten sei völlig ausgeschlossen, vor ihnen türmt sich noch eine 1000 Meter hohe Eiswand, extrem steil, zerklüftet, von der immer wieder Eis- und Schneelawinen abgehen. Am Mittwochmorgen reißt der telefonische Kontak komplett ab.
In den Basislagern rund um Nanga Parbat, aber auch im fernen Italien macht man sich hektisch Gedanken über die Möglichkeiten einer Rettungsaktion. Die Kühnste: Die beiden italienischen Extrembergsteiger Silvio Mondinelli und Agostona Da Polenza wollen die Alpinisten mit einem Hubschrauber aus der Wand befreien.
Das Problem: Normale Hubschrauber können wegen der dünnen Luft in diesen Höhen nicht fliegen, doch Pakistan soll zugesagt haben, Militärhubschrauber, die eine Höhe von mehr als 7000 Meter erreichen können, bereitzustellen.
Am Donnerstagnachmittag dann ein Hoffnungsschimmer: Agostona Da Polenza, inzwischen in Pakistan eingetroffen, berichtet laut „südtirol online“, Nones und Kehrer seien vom Basislager aus gesichtet worden, in inzwischen 6800 Meter Höhe. Ihnen fehlen damit „nur“ noch rund 500 Höhenmeter, um eine relativ sichere Zone zu erreichen – das kann frühestens am Freitagabend der Fall sein.
Dann wollen die beiden Extrembergsteiger Silvio Mondinelli und Agostona Da Polenza ihnen mit den Hubschraubern der pakistanischen Armee zu Hilfe eilen. Ob die Hubschrauber allerdings tatsächlich über 7000 Meter Höhe fliegen können, ist ungewiss.
Laut Online-Ausgabe der „Repubblica" will Mondinelli bis auf 7200 Meter fliegen, um Kehrer und Nones mit Nahrungsmitteln und mit einem Satellitentelefon zu versorgen.
Von Michael Heinrich
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