Tod bei illegalem Autorennen: Die Suche nach der gerechten Strafe - jetzt in Köln

Zwei Männer rasen mit getunten Autos um die Wette - und verursachen den Tod einer jungen Radfahrerin. Die Raser erhalten zunächst Bewährungsstrafen. Doch ob es dabei bleibt, wird neu verhandelt.
dpa |
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Zwei Männer rasen mit getunten Autos um die Wette - und verursachen den Tod einer jungen Radfahrerin. Die Raser erhalten zunächst Bewährungsstrafen. Doch ob es dabei bleibt, wird neu verhandelt.

Köln - Die 19-jährige Miriam ist mit dem Rad auf dem Weg von der Uni nach Hause. Plötzlich kommen ihr zwei Autos entgegengerast, nahe den Rheinterrassen in Köln-Deutz. In einer Kurve verliert einer der Autofahrer die Kontrolle. Sein Wagen schleudert auf den Radweg und trifft die Studentin wie ein Geschoss. Miriam hat keine Chance, drei Tage später stirbt sie an ihren Verletzungen.

Das Unglück sorgt im April 2015 bundesweit für Entsetzen - und das spätere Urteil für die beiden Raser ebenfalls: Sie kommen mit Bewährungsstrafen davon. Ist das angemessen? Nein, meinen zahllose Bürger, die ihrer Empörung in Leserbriefen und Internet-Kommentaren Luft machen.

In Diskussionsrunden mit Politikern und Verkehrsexperten wird das Urteil als Negativbeispiel angeführt. "Das Urteil in der ersten Instanz war falsch", sagt auch Anwalt Nikolaos Gazeas, der Miriams Familie als Nebenkläger vertritt. In der Neuauflage des Prozesses, der seit Mittwoch zum zweiten Mal das Kölner Landgericht beschäftigt, hofften die Angehörigen nun auf "ein richtiges und gerechtes Urteil", sagt er.

Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Kölner Landgericht aufgetragen, sich nochmals mit dem Fall zu beschäftigen. Und zwar in Hinblick auf die Strafaussetzung zur Bewährung. Die Kölner Richter hätten zum einen nicht beachtet, dass die beiden in Deutschland geborenen Türken den Unfall mit ihrer aggressiven Fahrweise vorsätzlich herbeiführten. Zum anderen hätten sie nicht berücksichtigt, wie sich die Bewährungsstrafe auf das allgemeine Rechtsempfinden der Bevölkerung auswirke, befand der BGH.

Schon der Versuch eines Rennens ist strafbar

Immer wieder verursachen Raser bei illegalen Autorennen schlimme Unfälle. Die Strafen fielen bislang sehr unterschiedlich aus. Besonderes Aufsehen erregte ein Fall in Berlin: Im Februar verurteilte ein Gericht in der Hauptstadt zwei Raser erstmals wegen Mordes. Die beiden Männer waren nachts über den Kurfürstendamm gerast. Einer von ihnen rammte einen Jeep - dessen Fahrer starb. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auch die Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach hat einen Mann wegen Mordes angeklagt, weil er bei einem Rennen einen Fußgänger überfahren haben soll. Im September machte der Bundesrat den Weg für schärfere Strafen frei: Wird bei einem illegalen Autorennen jemand schwer verletzt oder getötet, drohen den Verursachern jetzt bis zu zehn Jahre Haft. Schon der Versuch eines Rennens ist nun strafbar.

Im Kölner Fall steht die Höhe der verhängten Strafen von zwei Jahren sowie einem Jahr und neun Monaten nicht zur Debatte. Es geht allein um die Frage, ob die heute 24 Jahre alten Angeklagten ihre Strafen doch noch im Gefängnis verbüßen müssen oder nicht.

Angeklagter: "Jeder hasst mich, ich bin einer der Totraser"

Am ersten Verhandlungstag sorgt ein Schöffe für Verwirrung: Er teilt den Richtern in einer Pause mit, dass er und einer der Angeklagten einen gemeinsamen Bekannten aus der Raserszene hätten. Verteidiger und Nebenkläger wollen daher Befangenheitsanträge stellen, die durchaus Aussicht auf Erfolg haben könnten.

Sollte das der Fall sein, müsste der Prozess noch einmal von vorne beginnen. Die beiden Angeklagten geben sich reumütig. Einer von ihnen bittet Miriams Eltern und ihren Bruder, die den Angeklagten im Gerichtssaal gegenübersitzen, um Entschuldigung. Den Hinterbliebenen in die Augen zu schauen, wagt der 24-Jährige aber nicht.

"Es tut mir unendlich leid, was ich angerichtet habe", liest er von einem Zettel ab. Er komme seit dem Unfall nicht mehr zur Ruhe, müsse zum Einschlafen Tabletten nehmen. "Jeder hasst mich, ich bin einer der Totraser."

Auch der andere Angeklagte, der den Unfallwagen gefahren hatte, berichtet mit leiser Stimme, wie sehr ihn die Tat belaste. Er habe eine Psychotherapie gebraucht und komme mit dem Studium nicht voran. Miriams Eltern verfolgen diese Ausführungen mit unbewegten Gesichtern. Ihre Tochter konnte ihr Studium nicht beenden.

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