Tim K.s Eltern sprechen Opfern Mitgefühl aus

Knapp fünf Monate nach dem Amoklauf in Winnenden haben die Eltern des Täters den Angehörigen der Opfer einen Brief geschrieben, in dem sie ihr Mitgefühl bekunden. Das Schreiben ist auch Ausdruck eigener Verzweiflung und Ratlosigkeit.
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Mit Kerzen und Blumen vor der Realschule gedachten die Menschen in Winnenden der Opfer.
ap Mit Kerzen und Blumen vor der Realschule gedachten die Menschen in Winnenden der Opfer.

Knapp fünf Monate nach dem Amoklauf in Winnenden haben die Eltern des Täters den Angehörigen der Opfer einen Brief geschrieben, in dem sie ihr Mitgefühl bekunden. Das Schreiben ist auch Ausdruck eigener Verzweiflung und Ratlosigkeit.

Die Eltern des Amokläufers von Winnenden haben sich in persönlichen Briefen an die Familien der 15 Todesopfer und der zwei schwer verletzten Polizeibeamten gewandt. Wie das Nachrichtenmagazin «Focus» berichtet, spricht das Ehepaar darin den Angehörigen sein tiefstes Mitgefühl aus und schildert die eigene Verzweiflung und Ratlosigkeit.

Es vergehe «kein Tag», an dem sie nicht an die Folgen der Bluttat vom 11. März und an die Opfer dächten, schreibe das Ehepaar K., so «Focus». Was ihr Sohn angerichtet habe, tue ihnen aus tiefstem Herzen leid und «zerreiße» sie, zitierte das Magazin aus dem vor wenigen Tagen verschickten Schreiben. Sie würden den Hinterbliebenen gern Antwort geben, heißt es demnach in dem Brief weiter. Doch: «Wir wissen nicht, wie Tim zu dieser Tat fähig war.» Die Last des Verbrechens werde sie ein Leben lang begleiten. Die Eltern erklärten ihre Bereitschaft, mit den Hinterbliebenen in Kontakt zu kommen, sofern diese es wünschten. Sie wüssten, dass sie die Familien der Opfer aufgrund der Schwere der Tat nicht um Vergebung bitten könnten. Am 11. März hatte ihr 17 Jahre alter Sohn an der Albertville-Realschule in Winnenden, östlich von Stuttgart, acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen erschossen. Anschließend tötete der Amokläufer drei Menschen auf seiner Flucht nach Wendlingen, wo er sich selbst erschoss. Nach dem Amoklauf waren die Eltern des Täters aus Winnenden weggezogen. Sie hatten auch Morddrohungen erhalten. (dpa/AP)

Der Brief im Wortlaut

„Sehr geehrte Familie ...., es fällt uns sehr schwer, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Wir möchten Ihnen nicht noch mehr weh tun. Wir befürchten das Falsche zu sagen, zuviel oder zu wenig.
Andererseits könnten Sie aufgrund unseres bisherigen Schweigens denken, dass unsere eigene Trauer um unseren Sohn und unsere zerstörte Existenz uns die Sicht auf das versperrt, was er angerichtet hat. Dem ist nicht so.
Dass die Medien zunächst ihn und unsere Familie in den Mittelpunkt der Berichte gestellt haben, und nicht Sie und alle anderen Opfer und Hinterbliebenen, war nie in unserem Sinne. Deshalb gibt es von unserer Seite keine Stellungnahme in den Medien. Sie dürfen versichert sein, dass kein Tag vergeht, an dem wir nicht an Sie und all diejenigen denken, die durch unseren Sohn einen ihrer liebsten Menschen verloren haben, an Leib und Seele verwundet wurden, und nun mit dieser fürchterlichen Wirklichkeit weiterleben müssen.
Wir, seine Eltern, würden ihnen gerne Antworten geben. Erklärungen, die ihnen vielleicht dabei helfen würden, das auch für uns so Unfassbare, Entsetzliche zu begreifen. Wir stellen uns immer und immer wieder die gleichen Fragen, ohne schlüssige Antworten zu finden. Es zerreißt uns, dass Tim sich uns nicht mitgeteilt hat, dass wir ihm nicht helfen konnten.
Wir wissen nicht, wie Tim zu dieser Tat fähig war und warum er in seine frühere Schule gegangen ist. Nur eines wissen wir sicher: Die Pistole, die Tim benutzt hat, kam aus unserem Haus. Diese Last wird uns ein Leben lang bleiben.
Wir wissen, dass es uns an dieser Stelle nicht zusteht, für Tim oder für uns um Vergebung zu bitten. Dazu ist der Schmerz, den Sie erfahren haben und mit dem Sie jetzt leben müssen, viel zu ungeheuerlich. Wir möchten Sie aber wissen lassen, dass das Geschehene uns aus tiefstem Herzen leid tut.

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