Tierversuche: Forscher bemängeln Qualität der Studien

Die Ergebnisse aus den Experimenten sind laut neuester Untersuchungen oft nicht aussagekräftig genug. Unterbewusste Wünsche der Wissenschaftler sollen sie sogar beinflussen oder verfälschen.
von  az
Diese Maus steht im Dienste der Adipositas-Forschung.
Diese Maus steht im Dienste der Adipositas-Forschung. © dpa

Tierversuche sind höchst umstritten. Befürworter argumentieren aber, dass an den Tieren wichtige Grundlagenforschung betrieben wird – unersetzbar für Wissenschaft und Gesellschaft. Doch eben diese Forschung verliert nun an Glaubwürdigkeit: Zwei Studien aus Deutschland und den USA, die das Fachmagazin „PLOS Biology“ veröffentlicht hat, bemängeln Qualität und Transparenz von Studien mit Tierversuchen.

Forscher um Constance Holman und Ulrich Dirnagl vom Uniklinikum Charité in Berlin überprüften Hunderte Schlaganfall- und Krebsstudien und konzentrierten sich insbesondere auf die dabei verwendeten Versuchstiere. An den US-Universitäten Emory und Stanford wurden indes die Reproduzierbarkeit und Transparenz von 441 Studien in der biomedizinischen Datenbank PubMed geprüft.

Die Forscher kamen zu erschreckenden Ergebnissen:

  • In der Mehrzahl der Artikel wurde die Zahl der Versuchstiere nicht exakt angegeben. Ein weiteres Problem ist die oft zu geringe Gruppengröße in der medizinischen Grundlagenforschung, die im Mittel gerade einmal acht Tiere beträgt.
     
  • Bei vielen Studien "verschwanden" über die Dauer der Experimente Versuchstiere. Das deutsche Forscherteam versuchte, die Gründe für dieses Verschwinden zu rekonstruieren. "Der Verdacht liegt nahe, dass Tiere aus den Versuchen herausgenommen werden, wenn sie etwa eine besonders schwere Krankheitsausprägung zeigen", sagt Schlaganfallforscher Dirnagl.
     
  • Durch das Verschwinden der Tiere wird das Studienergebnis verfälscht. Für Dirnagl "ein typischer Fall von Bias". Damit meint er den Wunsch des Wissenschaftlers, dass seine Substanz wirkt. Es geht also nicht um bewusste betrügerische Absichten, sondern vielmehr um Wunschdenken.
     
  • Die meisten Studien gaben zudem weder Rohdaten noch vollständige Versuchsprotokolle an und erwähnten auch nicht, wer die Arbeit finanziert hatte. Ob mögliche Interessenkonflikte bestanden, bleibt damit offen.

Wie die Missstände behoben werden könnten: Die klinische Forschung macht es bereits seit Jahren vor. Hier gelten strenge Standards für die Anzahl von untersuchten Patienten und deren etwaige Herausnahme aus einem Versuch. Diese Standards werden in einem Statement festgehalten, wie es sich Dirnagl auch für Tierversuche wünscht.

In diesem Statement sollte exakt beschrieben werden, wie viele Tiere Teil des Versuchs waren und welche Kriterien für eine Herausnahme der Tiere galten. Zudem sollten die Experimente nach Meinung der Forscher verblindet erfolgen, also ohne dass die Forscher wissen, welche Tiere behandelt wurden und welche zur Kontrollgruppe gehörten. Eine weitere Möglichkeit sei die Präregistrierung von Studien, bei denen Forscher ihr Vorhaben vorab beschreiben.

Dirnagl fordert auch Veränderungen bei Universitäten, Förderorganisationen und Institutionen. "Wissenschaftliche Karrieren werden derzeit gemacht, wenn Sie etwas Neues, Spektakuläres finden. Das ist der Weg, um Professor zu werden", bilanziert er. Es spiele dagegen keine Rolle, ob man seine Fallzahlen genau angebe oder neutrale Ergebnisse produziere.

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