Terroranschlag bei Flug 253: Wie ist so etwas möglich?

Ungehindert konnte der Täter mit seinem explosiven Material ins Flugzeug gelangen. Jetzt stehen die Flughäfen in der Kritik. Auch in Deutschland werden Kontrollen verschärft.
von  Abendzeitung

Ungehindert konnte der Täter mit seinem explosiven Material ins Flugzeug gelangen. Jetzt stehen die Flughäfen in der Kritik. Auch in Deutschland werden Kontrollen verschärft.

Flüssigkeiten herzeigen, keine Feuerzeuge mitnehmen, sich abtasten lassen; gebracht haben die Sicherheitvorkehrungen am Flughafen offenbar nichts. In Amsterdam gelangte Umar Farouk Abdulmutallab ungehindert ins Flugzeug, wo er auf der Toilette seinen Sprengsatz bastelte. Der Vorfall hat die Diskussion um Sicherheit in Flugzeugen neu entfacht.

DIE TAT

Am Freitag flog der Täter von Lagos in Nigeria nach Amsterdam, passierte dort die Sicherheitkontrollen und stieg in den Flug 253 nach Detroit um. Er hatte offenbar unter seiner Hose am Bein eine Spritze befestigt, in der eine Flüssigkeit war. An Bord, wo fast 300 Menschen waren, ging der 23-Jährige kurz vor dem Landeanflug 20 Minuten auf die Toilette, wo er offenbar die Flüssigkeit mit einem Pulver mischte. Als er zurückkam, klagte er über Übelkeit und legte sich eine Decke über die Beine. Er saß auf einem Platz in der Nähe der Tragflächen, wo eine Explosion größtmöglichen Schaden anrichtet. Ein Flugbegleiter fragte den Nigerianer angeblich, was er in der Hosentasche habe und er antwortete: „Einen Sprengsatz.“ Dann hörten Passagiere einen Knall, es entstand eine Flamme, es roch nach Rauch, Panik brach aus. Ein holländischer Passagier, der einige Reihen weite hinten saß, hechtete über die Sitzreihen, überwältigte den Täter. Er riss ihm einen Beutel mit dem Sprengstoff vom Bein. Die Substanz zündet nicht. Nach Angaben der Justizbehörden war in dem Gemisch der besonders explosiven Sprengstoff Nitropenta (PETN).

DER TÄTER

Abdulmutallab ist der Sohn des ehemaligen nigerianischen Ministers und Bankchefs Alhaji Umaru Mutallab. Von 2005 bis 2008 studierte er in London am University College Maschinenbau. Die Briten verweigerten ihm allerdings bereits im Frühjahr die Einreise – er habe sich nur zum Schein an einer anderen Uni einschreiben wollen. Abdulmutallab hatte aber ein gültiges US-Visum.

Der Vater hatte die US-Behörden vor einigen Wochen vor seinem eigenen Sohn gewarnt, er sei radikalisiert. US-Medien berichten aus Sicherheitskreisen, dass bereits eine Akte über ihn angelegt worden sei. Sein Name sei auf der Beobachtungsliste „Terrorist Identities Datamart Environment – Tide“ gestanden, auf der etwa 500000 Verdächtige stehen. Auf der engeren Liste „Terrorist Screening Data Base“ war sein Name aber nicht - dann hätte er nicht mehr fliegen dürfen.

Abdulmutallab erlitt Brandverletzungen und wurde inzwischen im Rollstuhl zur Anklageerhebung gebracht, Er selbst behauptet, vom Terrornetzwerk El Kaida instruiert worden zu sein und den Sprengstoff im Jemen bekommen zu haben. Ermittler sagen aber, das sei möglicherweise nur „Wunschdenken“.

DIE KONSEQUENZEN

Die große Frage lautet nun: Wie konnte Abdulmutallab mit dem Material in das Flugzeug geraten. Schlamperei am Amsterdamer Flughafen? Das weisen die Holländer von sich. „Bei der Sicherheitskontrolle wurden keine Unregelmäßigkeiten festgestellt, obwohl sie gemäß der Vorschriften durchgeführt wurde“, sagte ein Sprecher des Niederländischen Büros für die Koordinierung der Terrorismusbekämpfung. Allerdings seien die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Niederländische Parlamentarier forderten lückenlose Aufklärung. Der Flughafen Schiphol ist einer der fünf großen Drehkreuze Europas.

Die EU will nun die Sicherheitsregeln prüfen lassen. „Ich bin entsetzt über die versuchte Terrorattacke“, erklärte der EU-Innen- und Justizkommissar Jacques Barrot.

In den USA solle es als Konsequenz Fluggästen unter anderem eine Stunde vor der Landung nicht mehr gestattet sein, ihren Sitzplatz zu verlassen. In Frankreich, Italien, Großbritannien Spanien und den Niederlanden wurden auf Bitten der Amerikaner die Kontrollen verschärft. Auch in Frankfurter und München werden Passagiere von USA-Flügen genauer geprüft.

DER HELD

Der Flug 253 hat einen Helden: Der Holländer Jasper Schuringa. Der Werbefilmer hatte sich auf den Täter gestürzt und mit bloßen Händen versucht, das Feuer zu löschen. Dann riss er dem Mann den Sprengstoff vom Bein. „Ich versuchte, seinen Körper nach Sprengstoff abzusuchen, dann habe ich so ein Ding von ihm weggerissen, das rauchte und schmolz“, erzählte er im US-Fernsehen. Während die Crew löschte, hielt er „in blinder Wut“ den Täter im Würgegriff – obwohl seine Hände verbrannt waren. Schuringa ist bescheiden, lobt die Crew und die anderen Passagiere, die geholfen haben: „Sie sind auch Helden.“ ta

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.