Terror-Angst! Karneval stoppt diesen Wagen

Damit „alle Teilnehmer befreit und ohne Sorgen“ mitlaufen können, verbietet das Festkomitee in Köln ein Gefährt, das an „Charlie Hebdo“ erinnert.
von  AZ
Mit dem Stift gegen die Waffe: So sieht der Entwurf der Charlie-Hebdo-Wagens aus. Zu heikel, finden die Organisatoren.
Mit dem Stift gegen die Waffe: So sieht der Entwurf der Charlie-Hebdo-Wagens aus. Zu heikel, finden die Organisatoren. © privat

Köln - Noch am 22. Januar hatte die Facebook-Seite des Kölner Karnevals den Wagen voller Stolz angekündigt: „Das von euch gewählte Motiv wird Rosenmontag dabei sein! Vielen Dank an alle, die mitgestimmt haben! Der Entwurf setzt der Sprache der Gewalt die Sprache der Satire und der Karikatur entgegen“, hieß es von den Veranstaltern.

Und: „Die Angriffe waren ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit – im Karneval auch bekannt als Narrenfreiheit. Wir machen im Rosenmontagszug immer wieder auf politische und gesellschaftliche Missstände aufmerksam.“

Gerade einmal eine Woche später klingt das anders: „Wir möchten, dass alle Besucher, Bürger und Teilnehmer des Kölner Rosenmontagszuges befreit und ohne Sorgen einen fröhlichen Karneval erleben. Einen Persiflagewagen, der die Freiheit und leichte Art des Karnevals einschränkt, möchten wir nicht“, teilt der Festkomitee mit.

Aus diesem Grund habe man entschieden, den Bau des geplanten Charlie-Hebdo-Wagens zu stoppen und den Wagen nicht im Kölner Rosenmontagszug mitfahren zu lassen.

Gleichzeitig dementiert das Komitee einen Bericht des „Kölner Stadtanzeigers“, demzufolge einzelne Karnevalsgesellschaften Sorgen geäußert hätten, vor oder hinter dem Wagen zu laufen – aus Angst vor einem Terror-Anschlag. „Wir prüfen die Gefährdungslage fortlaufend und haben derzeit keinerlei Hinweise auf eine konkrete Gefahr“, hatte ein Polizeisprecher daraufhin mitgeteilt.

Der „Stadtanzeiger“ will erfahren haben, dass der Wagen unauffällig von getarnten Beamten eines Spezialeinsatzkommandos begleitet werden sollte. Polizeipräsenz sei nichts Ungewöhnliches, hieß es vom Karnevals-Zugleiter Christoph Kuckelkorn.

Auf der Facebook-Seite des Komitees sorgt das Verbot fast ausschließlich für kritische Stimmen: „Da haben die Deppen jewonnen“, lautet einer von hunderten Kommentaren.

AZ-Kommentar: Ein Armutszeugnis

Lügende Politiker, bombende Militärs, gierige Manager, scheinheilige Kirchenfürsten, faule Fußballer, verfilzte Behörden – der Karneval hat sich in seiner langen Geschichte immer getraut, die Mächtigen aufs Korn zu nehmen.

Jetzt hat diese Tradition zumindest einen Riss bekommen. Das „Festkomitee Kölner Karneval von 1823“ verbietet einen Wagen, der sich den Anschlägen von Paris widmet, einen Karikaturisten zeigt, der einem Terroristen den Lauf seiner Pistole mit einem Stift verstopft. Unten hebt Hund Idefix aus den „Asterix & Obelix“-Comics das Beinchen.

Ein harmloses Statement für Meinungsfreiheit. Wohlgemerkt: Nicht der Prophet wird gezeigt (was ebenfalls in Ordnung wäre), sondern ein Dschihadist. Muss man auf deren Gefühle ab jetzt ebenfalls Rücksicht nehmen, weil hinter dem Sprengstoffgürtel auch nur ein gequältes Seelchen nach Anerkennung schreit? Damit sich ja keiner von ihnen mehr provoziert fühlt, sollte das Komitee dringend ein Verbot von Tanz, Gesang, Alkohol, Sex und Funkenmariechen prüfen.

Polemik beiseite: Zensieren sich Bürger einer freiheitlichen Gesellschaft selbst, haben die Terroristen ihr Ziel erreicht.

Ein Hoffnungsschimmer für Karnevalskenner: Die Kölner sind immer schon ein bisserl feige, wenn es um bissige Festwagen geht. Düsseldorf, bitte übernehmen!

Timo Lokoschat

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.