Süßwarenmesse in Köln: Schoko zum Schniefen

Genuss oder Gaudi? Auf der weltgrößten Süßwarenmesse in Köln werden ab Sonntag Nasch-Neuheiten vorgestellt. Was ein Chocolatier davon hält und warum Kalorien für ihn Kopfsache sind
Inhalieren? Klar – mit Salzwasser oder Kamillentee. Aber mit Schokolade? Schniefen statt schmausen? Was ein französischer Hersteller ab Sonntag auf der weltgrößten Süßwarenmesse in Köln vorstellt, schmeckt bitter für die, die gern Süßes naschen. „Mit einem einzigen Atemzug aus dem Plastikröhrchen inhaliert man hunderte von winzigen Partikeln mit Schoko-Geschmack“, wirbt die Firma. „Ein kalorienfreier Genuss.“
„Mehr Gaudi als Genuss“, sagt der Münchner Chocolatier Thomas Eickmann vom Traditions-Café Luitpold. „Ich habe das bereits getestet. Kein Vergleich mit hochwertiger Schokolade, die ich im Mund zergehen lasse und am Gaumen reibe.“ Aber die Leute wollten halt immer was Neues. Auch wenn manches 100 Jahre alt sei – „wie gepfefferte Schokolade“. Das Schoko-Thema, betont er, sei noch lange nicht ausgereizt: „Ob Lammbraten mit SchokoSoße oder Spargel im Schoko-Mantel – das hört sich komisch an, schmeckt aber.“ Und die Kalorien? „Diese Dickmacherei ist eine reine Kopfsache. Wer glaubt, dass er zunimmt, tut es auch.“ Natürlich seien drei Tafeln am Tag ungesund. „Aber eine auf einen Monat verteilt – mhmm!“
Die „Inhaling Chocolate“ ist nur eine von vielen Nasch-Neuheiten der 1500 Hersteller aus 66 Ländern. Weitere Kuriositäten sind „Himmel und Erd“, handgeschöpfte Schokolade gefüllt mit einer Trüffelmasse aus Sahne und Zwiebeln, „4711“-Pralinen mit Echt Kölnisch Wasser, Schoko-Sushi mit Ingwer, Choco-Burger aus Getreide, Prosecco-Marzipan, Fruchtgummis mit Orange gegen Knoblauch-Fahnen und eine „Sommelier“-Kollektion, die klärt, welche Schokolade zu welchen Alkoholika passt. Auch da hat Experte Eickmann einen Tipp: „Schwarze Schokolade, hauchdünn und gekühlt, passt wunderbar zu einem alten Whisky.“
Kinder interessiert das nicht. Sie wollen sich auch beim Naschen gruseln. „Der Ekel-Fakor ist im Süßwarenregal besonders verkaufsfördernd“, heißt’s in der Branche. Und so gibt’s heuer Hühnerfüße aus Fruchtgummi, „Halloween-Augen“ und „Toxic Waste“ (Giftmüll)-Kaugummis. Dazu „Esspapier“, das kurzfristig Tattoos auf der Zunge hinterlässt.
„Süßes geht immer, auch wenn es in der Regel nicht auf dem Einkaufszettel steht“, sagt Tobias Bachmüller vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie und freut sich über die neuen Reinbeißereien. „Nur wer ständig seine Produkte weiter entwickelt, kann langfristig auf dem Markt bestehen.“
Allerdings räumt er ein, dass die Deutschen in Krisenzeiten eher zu Salzstangen und Chips greifen als zu Schoko und Keksen. „Der Trend, sich zu Hause einzuigeln, ist vor allem den Knabberartikeln zu Gute gekommen.“ Die Produktion süßer Sachen ging im letzten Jahr um 2,3 Prozent zurück. Die vom Knabberzeug dagegen stieg um 11,8 Prozent.
Trotzdem wurde noch genug genascht: 30,12 Kilo pro Kopf für durchschnittlich 118 Euro. Heuer wird Süßes teurer. Das liegt an den Preisschwankungen bei Getreide und Kakao, so Bachmüller. Im europäischen Vergleich seien Schoko und Co in Deutschland und Polen aber immer noch am billigsten. Wem die Preiserhöhung dennoch sauer aufstößt, empfiehlt Bachmüller „erst recht etwas Süßes. Schokolade stärkt die Nerven!“ Und nährt den Bauch. Wie der kugelrunde Comedian Dirk Bach zeigt – er wirbt neuerdings für Schokoriegel. rs, add