Suche im Schutt von L'Aquila nach Überlebenden

Die Straßen sind voller Schutt - und menschenleer. Einen Tag nach dem schweren Erdbeben in Italien stellt sich das Land die Frage: Warum brachen auch so viele neue Gebäude in sich zusammen?
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Wie leergefegt: Eine Italienerin läuft nach dem Erdbeben durch eine menschenleere Straße in L'Aquila.
dpa Wie leergefegt: Eine Italienerin läuft nach dem Erdbeben durch eine menschenleere Straße in L'Aquila.

L'Aquila - Die Straßen sind voller Schutt - und menschenleer. Einen Tag nach dem schweren Erdbeben in Italien stellt sich das Land die Frage: Warum brachen auch so viele neue Gebäude in sich zusammen?

Verzweifelt graben Tausende von Helfern in den Trümmerbergen von L'Aquila und Umgebung nach Verschütteten. Und mit jeder Stunde verringern sich die Chancen, in der vom Erdbeben weithin verwüsteten Stadtlandschaft noch Menschen lebend aus dem Schutt ziehen zu können.

Wieder und wieder bebt der Boden in den bergigen Abruzzen, starke Stöße lassen Mauerwerk bereits beschädigter Häuser niederprasseln, versetzen die Menschen von neuem in Entsetzen und Panik. Für einen Moment beiseite gedrängt ist die Frage, wie dies möglich war, wer Fehler gemacht hat.

Ganz Italien scheint mittlerweile anzupacken, um dem Trauma des so folgenschweren Bebens trotzig eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegenzusetzen. Selbst Arbeiter aus Venedig, die in Krisenzeiten um ihre Jobs fürchten und deshalb streiken, stiften Geld für die Opfer und den Wiederaufbau.

Benefizkonzerte und Blutspenden - die Italiener versuchen sich selbst zu helfen

Manche organisieren rasch Benefizkonzerte, beim Blutspenden herrscht Andrang. Und Stardirigent Claudio Abbado widmet einen Abend mit seinem Mahler Chamber Orchestra in Reggio Emilia den Zehntausenden, die unter der Naturkatastrophe und dem Chaos leiden.

37 Sekunden dauerte das verheerende Beben, manche Viertel der 28 betroffenen Gemeinden sehen aus wie dem Erdboden gleichgemacht. Dass die Mittelitaliener in diesen so schweren Stunden mit der Solidarität ihrer Landsleute rechnen konnten, überrascht nicht – in kleinen und in großen Katastrophen halten die Italiener zusammen.

"Manchmal ist der Staat da"

Was nun eher auffällt, ist dieses: „Manchmal ist der Staat da“, umschreibt es die Turiner „La Stampa“. Alles in allem lief die Hilfe doch rasch an. Selbst die linke Opposition in Rom verzichtet fast auf jede Polemik.

„Wir sind alle mit euch“, titelt der römische „Il Messaggero“. „Wir sind alle Abruzzesen“, doppelt „Il Riformista“ nach. Spätestens wenn der letzte Vermisste gefunden ist und der Schutt geräumt wurde, dürften auch jene Fragen lauter gestellt werden, die sich aufdrängen: Warum stürzten viele jüngere Gebäude wie Kartenhäuser in der als seismisch außerordentlich unruhig bekannten Gegend ein? Wie kommt es, dass auch öffentliche Bauwerke wie eine Präfektur oder ein Krankenhaus offensichtlich nicht erdbebensicher geplant worden sind?

"In Kalifornien hätte das Beben nicht einen Menschen getötet"

Millionen Häuser sollen auf der Apennin-Halbinsel „potenziell einsturzgefährdet“ sein, schätzen Geologen. „In Kalifornien hätte ein solches Beben nicht einen Menschen getötet“, meint zumindest Franco Barberi, der Vorsitzende der nationalen Katastrophen-Kommission, im Gespräch mit dem „Corriere della Sera“: „Es sind auch neue Häuser eingestürzt, und es stellt sich also das Problem der Bauqualität vor allem bei öffentlichen und strategischen Bauwerken wie Hospitälern, Schulen und Regierungsbauten.“ Auf Schutzheilige gegen die Gewalt der Natur soll also kein Italiener vertrauen, wenn es um das Leben geht.

Und in dieser „verrückten Erde“ will Regierungschef Silvio Berlusconi seine Milliarden-Hängebrücke nach Sizilien bauen, wo es eine erhöhte Gefahr von Erd- und Seebeben gibt? Wie auch immer: Der 72-jährige Medienzar reiste am Dienstag von neuem nach L'Aquila. Der Staat ist diesmal präsent, die Hilfsgelder sind in der Pipeline.

Denn was die arg zerstörte Bergregion dringend braucht, wenn erst einmal das Schlimmste bewältigt sein wird, das sind Zukunftsperspektiven - etwa den Bau einer „neuen Stadt“ in der Nähe von L'Aquila. Für die 5100 Helfer, die noch Häuser sichern oder nach Vermissten graben, ist das aber noch nicht so dringend. Ihnen bleibt zuvor noch viel zu tun.(dpa)

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