Stress und Leistungsdruck sind schuld: Immer mehr Psycho-Pillen im Büro

Eine neue Studie enthüllt: Immer mehr Menschen nehmen Medikamente am Arbeitsplatz, um ihre Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen
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Ein Pillencocktail aus verschiedenen Antidepressiva – für manche Menschen am Arbeitsplatz inzwischen so alltäglich wie Kaffee.
az Ein Pillencocktail aus verschiedenen Antidepressiva – für manche Menschen am Arbeitsplatz inzwischen so alltäglich wie Kaffee.

Eine neue Studie enthüllt: Immer mehr Menschen nehmen Medikamente am Arbeitsplatz, um ihre Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen

MÜNCHEN "Ich musste diese Klausur unbedingt schaffen", sagt die 23-jährige Alina M. der AZ. Also wagte sie das Experiment: In der Nacht vor ihrer Mathematik-Prüfung warf die Münchner Studentin sich eine Ritalin-Pille ein. Ritalin ist ein Amphetamin, eigentlich für Menschen mit Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS). Was Kranken helfen soll, dient Gesunden als Doping – die Konzentration soll sich verbessern, die Leistungsfähigkeit erhöhen. Alina hat es nie wieder versucht: "Ich war so aufgedreht, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich habe die Prüfung sausen lassen." Nicht nur an Unis, auch im Job schlucken immer mehr gesunde Menschen Psychopharmaka, um fit zu bleiben. Das hat die DAK jetzt in einer großen Studie erhoben. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.

Wie viele Menschen sind betroffen?

Laut DAK haben rund zwei Millionen Deutsche schon mal mit Pillen am Arbeitsplatz "gedopt". Knapp die Hälfte nimmt die Medikamente regelmäßig, also mehrmals in der Woche.

Welche Medikamente schlucken diese Menschen?

Beliebt sind Betablocker wie Metropolol – sie werden bei Herzkrankheiten genommen, können aber auch stressmindernd wirken. Auch eingesetzt werden Anti-Alzheimer-Substanzen wie Piracetam, sie sollen das Denkvermögen verbessern. Antidepressiv wirkende Stoffe wie Fluoxetin steigern Aktivität und Antrieb.

Wer nimmt diese Mittel?

Besonders häufig Menschen in sehr stressigen, ungeregelten Jobs – Manager, Börsianer, Ärzte. Der britische Stargeiger Nigel Kennedy klagte jüngst, dass viele Orchestermusiker Betabblocker gegen das Lampenfieber nehmen würden. Auch Arbeitnehmer, die Angst um ihren Job haben, zählen zur Risikogruppe. Männer nehmen dabei oft Mittel zur Leistungssteigerung, Frauen dagegen greifen eher zu Stimmungsaufhellern und Antidepressiva.

Warum nimmt der Missbrauch zu?

"Es ist der Wunsch, in der modernen Arbeitswelt immer perfekt, immer fit zu sein", sagt DAK-Chef Herbert Rebscher. "Das ist ein Alarmsignal." Nur: Die Mittel können teilweise süchtig machen, außerdem haben sie oft massive Nebenwirkungen.

Woher kommen die Arzneien?

Das ist besonders erschreckend: Offenbar verordnen viele Mediziner leichtfertig Psychopharmaka, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Die Mehrzahl der Menschen gab an, die Medikamente ganz normal vom Arzt verschrieben bekommen zu haben. Besonders krass ist das beim Anti-Demenz-Wirkstoff Piracetam: 97 Prozent der Befragten bekamen den Wirkstoff auf Rezept. Dazu kommt der Internet-Schwarzmarkt: Dort gibt es heute fast alles.

Annette Zoch

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