Stimmrekorder auswertbar: Was geschah im Airbus-Cockpit?

Der Stimmrekorder aus dem Flugschreiber des Airbus A320 der Germanwings ist auswertbar? Was geschah im Cockpit: Gab es Sauerstoffmangel, wurde die Frontscheibe zerstört? Oder doch ein Kampf im Flugzeug?
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Was sind die Gründe für den Absturz? Der Flugschreiber ist auslesbar!
dpa Was sind die Gründe für den Absturz? Der Flugschreiber ist auslesbar!

Paris - Die Ermittlungen zur Ursache des Germanwings-Absturzes in Frankreich stoßen auf unerwartete Probleme. Im Trümmerfeld der Unglücksstelle in den Alpen fanden Bergungskräfte zwar den Sprachrekorder und den Behälter des Flugdatenschreibers. Die eigentliche Blackbox mit gespeicherten Flugdaten blieb zunächst aber verschollen, wie der französische Präsident François Hollande am Mittwoch in Seyne-les-Alpes sagte. Zudem dauerte die Auswertung der Geräusche aus dem Cockpit des Airbus A320 länger als erwartet.

Lesen Sie hier: Liveticker zum Airbus-Absturz

Klar war zunächst nur, dass die Germanwings-Maschine nicht in der Luft explodierte. "Das Flugzeug ist bis zum Schluss geflogen", es habe also keine Explosion gegeben, teilte der Direktor der französischen Untersuchungsbehörde BEA, Rémi Jouty, in Paris mit. Die BEA habe zwar auswertbare Daten aus dem ersten Flugschreiber sichergestellt, könne aber nicht die geringste Erklärung für den Absturz geben. "Wir haben auch nicht die geringste Erklärung dafür, warum dieses Flugzeug auf die Kontaktversuche der Luftraumkontrolle, wie es scheint, nicht geantwortet hat", sagte Jouty.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte nach dem Fund des Sprachrekorders am Dienstag noch eine schnelle Aufklärung der Absturzursache erwartet. "Ich gehe davon aus, dass wir sicherlich relativ schnell erste Informationen bekommen werden, was die Absturzursache wahrscheinlich war", hatte Spohr über den Verlust des Airbus der Lufthansa-Tochtergesellschaft gesagt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel besichtigte mit Hollande und dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy aus der Luft den Absturzort in einem schwer zugänglichen Tal. Das bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert der Deutschen Presse-Agentur. Beim Aufprall der Maschine waren alle 150 Menschen an Bord am Dienstag ums Leben gekommen. Die meisten Opfer stammen aus Deutschland und Spanien.

Nach Angaben von Germanwings-Chef Thomas Winkelmann waren 72 Bundesbürger an Bord der Unglücksmaschine. Zunächst hatte die Fluglinie von 67 Deutschen gesprochen, aber betont, dass sich die Zahl noch ändern könne. Aus Spanien stammten nach Angaben aus Regierungskreisen in Madrid 51 Opfer. Die Maschine war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als sie minutenlang an Flughöhe verlor und schließlich an dem Bergmassiv zerschellte.

Die meisten deutschen Opfer kamen aus Nordrhein-Westfalen, weshalb Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit Merkel nach Frankreich gereist war. An Bord der verunglückten Maschine waren unter anderem 16 Schüler aus Haltern, die ihre verhängnisvolle Spanien-Reise per Losentscheid gewonnen hatten, wie eine Sprecherin der Bezirksregierung sagte. Eine Schülerin hätte den Flug nach Informationen der spanischen Zeitung "El País" fast verpasst, weil sie ihren Ausweis bei der Gastfamilie vergessen hatte.

Vor dem Joseph-König-Gymnasium in Haltern erinnerte am Mittwoch ein Lichtermeer an die 16 Schüler und zwei Lehrerinnen. "An unserer Schule wird nichts mehr so sein, wie es vorher war", sagte Schulleiter Ulrich Wessel. "Gestern waren wir viele. Heute sind wir allein", stand auf einem Schild auf dem Schulhof.

Merkel dankte den Einsatzkräften für deren Arbeit: "Das ist ein Zeichen unglaublicher Freundschaft und Hilfe. Wir sind sehr dankbar", sagte sie. Bergungsteams seilten sich am Mittwoch von Hubschraubern in das unwegsame Gelände ab. Zugleich setzten rund 50 Spezialkräfte, die in dem Bergmassiv in Biwaks übernachtet hatten, ihren Aufstieg zum Absturzort fort.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) betonte in Berlin, es gebe keine belastbaren Hinweise dafür, dass Dritte den Absturz herbeigeführt hätten. Sein französischer Amtskollege Bernard Cazeneuve erklärte, es seien weiter alle Hypothesen auf dem Tisch.

Die Staatsanwaltschaft von Marseille nahm Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung auf. Die Flugüberwachung habe kurz vor dem Unglück vergeblich versucht, Kontakt zu dem Airbus herzustellen, sagte Staatsanwalt Brice Robin. Düsseldorfer Staatsanwälte übernahmen die deutschen Ermittlungen. Auch Experten der Braunschweiger Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung sind in Frankreich im Einsatz. Das Bundeskriminalamt bereitet sich darauf vor, bei der Identifizierung der Opfer mitzuhelfen.

Die Bergung der 150 Opfer wird nach Einschätzung der Experten extrem schwierig werden. Für die Angehörigen wurde in Seyne-les-Alpes ein Ort der Stille eingerichtet, Dolmetscher waren vor Ort. Die Lufthansa will an diesem Donnerstag weitere Hinterbliebene mit Sonderflügen nach Südfrankreich bringen.

Das Bundesinnenministerium ordnete Trauerbeflaggung an allen Bundesbehörden an. Auch in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern wehen die Fahnen an Dienstgebäuden auf halbmast. Im Bundestag soll am Donnerstag der Opfer des Unglücks gedacht werden. Neben den deutschen waren auch Passagiere aus Spanien, Australien, Argentinien, Iran, Venezuela, den USA, Großbritannien, Niederlande, Kolumbien, Mexiko, Japan, Dänemark, Belgien und Israel an Bord.

24 Stunden nach dem Absturz wurde am Mittwoch um 10.53 Uhr mit einer Gedenkminute auf deutschen Flughäfen an die Opfer erinnert. Weltweit beteiligten sich Mitarbeiter von Germanwings, Lufthansa und anderen Fluggesellschaften. Auch das Bundeskabinett in Berlin legte eine Schweigeminute ein.

Germanwings strich am Dienstagabend zahlreiche Flüge. Etliche Besatzungen waren nicht zum Dienst gekommen. Auch am Mittwoch erklärten sich mehrere Crews für nicht einsatzbereit. Grund sei "der Schockzustand sowohl beim Kabinen- wie beim Cockpitpersonal", sagte ein Sprecher der Fluggesellschaft. Am Mittwoch sagte die Fluglinie nur einen einzigen Flug ab, ihren Flugbetrieb stemmte sie mit Hilfe der Konkurrenz.

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