Stiftung Warentest: Bioprodukte – nur fürs Gewissen?

MÜNCHEN - Vor acht Jahren begann der Öko-Boom. Jetzt zieht die Stiftung Warentest Bilanz. Das ernüchternde Ergebnis: Bioprodukte sind nicht automatisch gesünder oder besser als normale Lebensmittel.
Vor gut einem Jahrzehnt waren Bioprodukte noch etwas Besonderes. Es gab sie nur in Reformhäusern, Öko-Käufer wurden als sandalentragende Körnertypen belächelt. Heute kaufen schon 94 Prozent der Deutschen mindestens einmal im Jahr ein Bioprodukt. Jeder Discounter hat inzwischen Bio im Sortiment.
Für die „Stiftung Warentest“ Grund genug, nach acht Jahren ein Fazit zu ziehen. Insgesamt 85 Lebensmitteltests nahmen die Forscher unter die Lupe. Das ernüchternde Ergebnis: Bioprodukte sind nicht besser als herkömmliche. Konventionelle Produkte schneiden in fast allen Bereichen genauso gut ab wie Bio. Die wichtigsten Ergebnisse:
Wo hat Bio Mängel? Besonders bei der Sensorik, also der Frage, wie ein Lebensmittel riecht und aussieht, können Bioprodukte noch aufholen.
Zum Beispiel beim Rapsöl: Hier erhielten sieben von neun Produkten das Testurteil „mangelhaft“. Grund: Sie rochen „holzig-strohig, stichig-modrig oder ranzig“, so die Warentester. Ein möglicher Grund für die Mängel könnte die Empfindlichkeit des Bio-Saatguts sein. Kleinste Schäden bei der Lagerung können den Geschmack des Öls schon verderben. Bio-Rapssaat kommt oft aus dem EU-Ausland, wo es mit der Lagerung offenbar nicht so genau genommen wird. Die besten Noten bei Rapsölen gabs für konventionelle Produkte – und die verwenden deutschen Raps. Eine weitere Schwäche gibt’s bei Babynahrung: Die Tester bemängelten hier zu wenig Vitamin C, zu wenig Fett und zu wenig Eisen.
Wo hat sich Bio verbessert? Im Laufe der Jahre haben sich viele Bio-Produkte qualitativ verbessert. Vor acht Jahren schmeckte zum Beispiel Biomargarine noch „seifig“ oder „talgig“. Heute schneiden Margarinen gut ab. Im Räucherlachs fanden die Tester 2002 noch eine erhöhte Keimbelastung – heute nicht mehr. Und im Honigtest 2004 fielen einige Bioprodukte durch, weil sie Rückstände enthielten. Im aktuellen Honigtest ist kein Produkt mehr „mangelhaft“.
Wo wird Bio überschätzt? Hersteller werben oft damit, dass in Bioprodukten zum Beispiel mehr gesunde „sekundäre Pflanzenstoffe“ sind, mit denen sich Pflanzen auf natürliche Art gegen Schädlinge verteidigen. Problem: Diese Pflanzenstoffe finden sich auch in vielen anderen naturnah, aber konventionell hergestellten Produkten. So waren im „normalen“ naturtrüben Apfelsaft genauso viel Polyphenole wie im Öko-Saft. Bio ist also nicht automatisch gesünder.
Was sind die Vorteile von Bio? Ökologisch hergestellte Produkte sind oft rund 30 Prozent teurer – warum soll man sie also kaufen, wenn’s doch kaum Unterschiede gibt? „Was man auf jeden Fall sagen kann: Die Pestizidbelastung in Bioprodukten ist deutlich geringer“, sagt Ina Bockholt von der „Stiftung Warentest“. „Zwar ist die Belastung auch bei konventionellem Obst und Gemüse deutlich gesunken, aber bei Bio ist man einfach auf der sicheren Seite.“ Und: „Bio ist gut fürs Gewissen“, sagt Bockholt: „Wer Bio kauft, fördert eine ökologische und nachhaltige Landwirtschaft.“ A. Zoch