Spanair-Katastrophe: "Wann ist der Film aus?"
Diese Frage stellte ein verstörter Achtjähriger den Rettern - sein Vater ist tot, die Mutter im Koma. Ein Passagier wollte raus, doch man ließ ihn nicht. Die erschütternden Berichte der Überlebenden aus dem Todesjet von Madrid.
MADRID Flaggen auf Halbmast, die letzten Leichenwagen haben den Flughafen verlassen. 153 Menschen kamen bei der Flugzeugkatastrophe in Madrid ums Leben. Noch ist unklar, warum der Spanair-Flug abstürzte. Eine Videoaufnahme der staatlichen Flughafengesellschaft zeigt, dass entgegen ersten Annahmen kein Triebwerk brannte. Möglich sei, dass abfallende Teile das Leitwerk beschädigt und das Flugzeug so zum Absturz gebracht haben.
Und nun werden auch immer mehr Geschichten der Passagiere bekannt – voller Dramatik, Freude über die Rettung und Trauer über die, die es nicht geschafft haben. Besonders heftig: der Fall von Rubén Santana (45). Er hatte die Besatzung gebeten, das Flugzeug verlassen zu dürfen, weil er von technischen Problemen erfahren habe. Die letzte SMS an seine Frau: „Man lässt mich hier nicht mehr raus. Es ist alles zu.“ Die Maschine hob ab, mit Santana an Bord.
Oder zum Beispiel die Mutter, die sich für ihre Tochter geopfert hat. Ein Feuerwehrmann: „Ich wollte sie zuerst bergen, weil ihr Zustand dramatischer war. Doch sie hat mich gebeten: Rette zuerst meine Tochter.“ Maria (11) hat überlebt, die Mutter nicht.
Oder der achtjährige Jesús. Er fragte die Retter immer wieder verstört: „Wann ist der Film endlich aus?“ Jetzt liegt er im Krankenhaus. Bis auf ein gebrochenes Bein geht es ihm körperlich gut. Aber nur körperlich: „Er weiß, was passiert ist. Und er macht nichts, außer unaufhörlich nach seinen Eltern zu fragen“, sagte Juani Mendiola, die Cousine von Jesús’ Mutter. Der Vater des Buben, Alfredo Acosta, starb im Flugzeug; seine Mutter Gregoria liegt schwerstverletzt im Koma, die Prognose ist sehr schlecht.
Antonia Martínez (28) ist das einzige überlebende Crew-Mitglied. Die Stewardess hatte sich nicht wie die anderen zum Start hinten hingesetzt, sondern vorne auf den Sitz 1-E. Ihre Kollegen sind alle tot. Ihre Mutter erzählt: „Sie war die ganze Zeit bei Bewusstsein. Dann hat sie die Sirenen gehört und nur noch gedacht: ,Sie werden mich retten.’“ Als Erstes rief sie vom Krankenwagen aus ihre Mutter an: „Mama, mach dir keine Sorge, es geht mir gut.“ Mit zwei gebrochenen Wirbeln und schweren Kopf- und Quetschverletzungen in der Klinik. „Ich werde nie wieder fliegen“, sagt sie leise. „Es war schrecklich.“
Rafael Vidal (30), ein IT-Ingenieur aus Madrid, wollte für ein paar Tage an den Strand. Eigentlich wollte er schon vormittags fliegen. „Aber der Flieger war voll, da hat er den am Nachmittag nehmen müssen“, sagt sein Vater. „Als das Unglück passiert ist, hat er sich ganz klein gemacht, wie eine Kugel. Die Flugzeugsitze wurden herumgeschleudert und haben ihn eingequetscht.“ Rafael saß in Reihe 2, in der ersten Klasse. „Das hat ihm das Leben gerettet.“ Rafael sagt nicht viel. Nur: „Ich bin ein zweites Mal geboren worden.“
Im Kinderhospital liegt der sechsjährige Roberto Álvarez mit einer Kopfverletzung, aber er fragt schon wieder nach seinem Lieblingsessen, „wie immer“, sagt seine Tante. Seine Schwester María, die im Flieger neben ihm saß, hatte nicht so viel Glück: Sie ist tot.
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