So viel Gentechnik steckt in unseren Lebensmitteln
Die deutschen Verbraucher essen gentechnisch veränderte Lebensmittel, ohne es zu wissen. Das sagt Gerd Spelsberg vom Verbraucherportal „Transgen“. Er findet: „Gentechnik-frei sind die meisten Lebensmittel nicht.“ Die AZ zeigt, wie viel Genfood in unseren Lebensmitteln steckt und wie sich Verbraucher schützen können.
In welchen Produkten steckt Gentechnik?
Vor allem in Fleisch, Milch und Eiern. Viele Nutztiere fressen Futter, das aus gentechnisch verändertem Mais oder Sojabohnen gewonnen wird. Das Gen-Futter kommt aus Amerika und Argentinien. Die Tier-Nahrung muss als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden – das Fleisch hingegen nicht. Die Folge: Die Verbraucher nehmen indirekt Genfood zu sich – und wissen es gar nicht.
Gibt es weitere Lücken?
Ja. Der Gentechnik-Anteil darf in der ganzen EU höchstens 0,9 Prozent betragen. Bis zu dieser Grenze müssen die Produkte nicht gekennzeichnet werden. Und diesen Spielraum schöpfen die Konzerne aus. Darüber hinaus werden bei der Lebensmittelerzeugung Enzyme gebraucht, die mit gentechnisch veränderten Stoffen hergestellt werden.
Welche Stoffe gelangen ins Essen?
Beispiel Brot: Gentechnisch verändertes Sojamehl könnte in der Backmischung stecken, ebenso wie aus Genmais gewonnene Stärke. Vitamin C kann gentechnisch hergestellt werden. Schokolade, Kekse, Bonbons und Eis sind häufig nicht gentechnik-frei. Der verwendete Glukosesirup stammt aus genveränderter Maisstärke. Auch Gensoja wandert in die Süßigkeiten: Lecithin, das überwiegend aus Soja stammt, kommt in Schokolade und Keksen vor. Die versteckten Gen-Zutaten bleiben jedoch meist unterhalb des Grenzwertes.
Was macht die Politik?
Anfang 2008 hat die Bundesregierung ein Pickerl eingeführt: Hersteller von tierischen Produkten können ihre Waren mit dem Siegel „Ohne Gentechnik“ versehen und damit zeigen, dass sie auf Gen-Futter verzichten. Die Sache hat einen Haken: Das Siegel ist freiwillig – nur wenige machen mit. „Die Verbraucher wissen nicht, ob ihr Fleischerzeuger gentechnisch verändertes Tierfutter verwendet und tappen im Dunkeln“, kritisiert Susanne Moritz, Ernährungs-Expertin bei der Verbraucherzentrale Bayern.
Was fordern Verbraucherschützer?
„Aus Sicht der Verbraucher wäre es sinnvoll, wenn auch die Zusatzstoffe der Erzeugung gekennzeichnet werden“, sagt Gerd Spelsberg von „Transgen“. Stefanie Töwe von der Umweltorganisation „Greenpeace“ fordert, dass auf allen Tier-Produkten steht, ob Gen-Futter verwendet wurde oder nicht. Doch dafür müsste die Kennzeichnungsrichtlinie der EU geändert werden – und das ist schwierig.
Wie können sich Verbraucher schützen?
Tier-Produkte, bei denen kein Gen-Futter verwendet wurde, erkennt man an dem Siegel „Ohne Gentechnik“. Das Siegel ist allerdings kaum verbreitet. Weiterer Tipp: „Alle Bio-Produkte sind ohne gentechnisch veränderte Pflanzen hergestellt“, sagt Stefanie Töwe von „Greenpeace“. Die Produkte erkennt man an dem sechseckigen Bio-Siegel.
Machen Gen-Produkte krank?
Wissenschaftler streiten sich seit Jahren über die Frage, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel für Menschen gesundheitsschädlich sind. Zwei Probleme gibt es: Zum einen kann man mit Menschen keine Experimente machen, sondern nur mit Tieren. Zum anderen sind bei bisherigen Untersuchungen nur kurze Zeiträume untersucht worden. Dennoch deuten Tierversuche auf eine gesundheitsschädliche Wirkung hin. Mäuse, die 2005 mit australischen Gen-Erbsen gefüttert wurden, bekamen eine Lungenentzündung. Ratten, die 2007 französischen Genmais fraßen, wiesen Schäden an der Leber und der Niere auf. In einem anderen Versuch fütterten schottische Wissenschaftler Ratten mit Gen-Kartoffeln. Die Folge: Das Immunsystem der Tiere wurde geschädigt.
Volker ter Haseborg
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