So schnell wird man #HassMartin

Die vehemente Abneigung gegenüber Hans-Martin Schulz, Kandidat bei „Schlag den Raab war eine rasante Zuspitzung dessen, was sowohl Privat-Fernsehen als auch Kommunikation im Netz ausmacht.
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Hans-Martin wollte das Geld im Koffer, nun hat es es
ProSieben Hans-Martin wollte das Geld im Koffer, nun hat es es

Die vehemente Abneigung gegenüber Hans-Martin Schulz, Kandidat bei „Schlag den Raab war eine rasante Zuspitzung dessen, was sowohl Privat-Fernsehen als auch Kommunikation im Netz ausmacht.

Also, arbeiten wir erst mal die kurzen Fakten ab: Hans-Martin ist das Abziehbild eines Menschen, der mit “gruselig” noch freundlich umschrieben ist. Vorlaut, klugscheißerisch, uncharmant. Eine Figur, auf die man schnell Aggressionen und Häme projezieren kann. Man muss ja nicht gleich von “Hass” reden, aber dass man ihn nicht mögen muss, ist erst mal unstreitbar.

Die Aufregung darüber allerdings, was jetzt mit dem armen Hans-Martin passiert, zeugt wahlweise von Heuchelei oder aber von Ahnungslosigkeit. Denn was da am Samstag bei Pro 7 ablief, war im Grunde nichts anderes als eine extrem rasante Zuspitzung dessen, was sowohl (privates) Fernsehen als auch Kommunikation im Netz ausmacht. Das Phänomen ist nicht neu, neu ist nur die Beinahe-Echtzeit-Geschwindigkeit, in der Netz und Fernsehen aufeinander zuliefen.

Privates Fernsehen lebt von seinen Charakteren, von gnadenloser Zuspitzung, von gut oder böse, schwarz oder weiß. Privates Fernsehen lebt nicht vom Lesen zwischen den Zeilen oder von Grautönen. Und insofern war es auch sicher kein Zufall, dass es ausgerechnet Hans-Martin war, der gestern als Gegner Raabs auserkoren wurde. Wenn man so will: weil er ein leichter Gegner war. Nicht, was die Spiele angeht, sondern die Dramaturgie der Show. Normalerweise gibt Raab wohlkalkuliert die Hackfresse, bei der sich alle Freude, wenn sie ordentlich poliert wird (oder der eine Boxerin das Nasenbein bricht). Diesmal war es umgekehrt und Hans-Martin der perfekte Kandidat, Raab im Hackfressen-Ranking den Rang abzulaufen. Hans-Martin war sozusagen (und bewusst ausgewählt) der Banker unter den Kandidaten; einer bei dem man wissen konnte, dass es ein Leichtes sein würde, sich auf ihn als die Antifigur zu einigen. So funktioniert das bei Bankern ja auch: Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel findet Banker inzwischen doof und kann sich dabei des Jubels aller Seiten sicher sein. Da widerspricht ihr nicht mal Gregor Gysi.

Muss man sich darüber entrüsten? Kann man. Aber dann muss man Privatfernsehen als solches in Frage stellen. Hans-Martin ist nichts anderes als die gehypte Witzfigur, die in eine grandiose Reihe gehört mit Peter Bond, Giulia Siegel, Daniel Küblböck und Sladdi (kennen Sie den noch?) Was folgt, ist klar: Es wird irgendwelche Satireseiten geben, lustige Fotomontagen, vielleicht taucht er auch in “TV total” in einem Hotkey auf (das gehört zur Verwertungskette). Oder irgendwann mal im Dschungel. Er ist, wenn man so will, das perfekte Ergebnis eines Kandidatencastings im Privatfernsehen.

Und das Netz? Verwundert es, wenn in einem Medium wie “Twitter”, das letztendlich nichts anderes als die Echtzeit-Kommunikation von vielen mit vielen, sich viele rasant zusammenschließen, um sich über #hassmartin zu echauffieren? Dass es bei YouTube inzwischen Videos gibt, die seinen bizarren Auftritt dokumentieren? Auch das muss man nicht goutieren, aber so ist das Netz. Nichts ungewöhnliches, business as usual. So geht Fernsehen heute. Früher hätte man sich am Montag auf dem Schulhof oder im Büro über SDR unterhalten, heute macht man es live bei “Twitter”.

Ein vermeintlich kluger Mann wie Hans-Martin hätte das wissen müssen. So aber darf er jetzt froh sein, wenn Stefan Raab nicht auch noch ein Spottlied über ihn aufnimmt - mit besten Grüßen vom Maschendrahtzaun.

Christian Jakubetz

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