Silikon-Brust statt Barbie
MÜNCHEN - Politiker wollen die zunehmenden Schönheits-OPs bei Minderjährigen verbieten. Was ein Chirurg davon hält, warum Eltern den Boom mitmachen.
Hans und Franz sind der Renner. So nennt Heidi Klum ihre Brüste – und genau solche Brüste wünschen sich 20 Prozent der 9- bis 14-Jährigen bei uns. Der Schönheitswahn treibt immer skurrilere Blüten. Nach den Großen, jetzt auch bei den Kleinen. Rund eine Million Deutsche legen sich jährlich unters Skalpell, darunter 100 000 Jugendliche unter 18 Jahren.
Gesundheitspolitiker schlagen Alarm
Jetzt schlagen Gesundheitspolitiker Alarm. Heute befasst sich der Gesundheitsausschuss des Bundestags in einer öffentlichen Anhörung mit dem Thema. Hintergrund ist ein gemeinsamer Antrag von schwarzen und roten Politikern, diese OPs an Minderjährigen zu verbieten und Missbräuche zu verhindern. Karl Lauterbach, einer der SPD-Antragsteller, sieht ein „verirrtes Schönheitsideal„ als treibende Kraft. Kinder würden schon sehr früh darauf vorbereitet, eine Idealfigur zu entwickeln, und träumten davon, Model zu werden“, sagte er im NDR. Ein gesetzliches Verbot sei unumgänglich, weil es zu wenig Selbstbeschränkung der Ärzte gebe. Dabei gehe es nicht um medizinisch notwendige Operationen, sondern um reine Schönheitseingriffe wie Brust-Vergrößerungen oder Fettabsaugen. „So etwas müsste unter Strafe stehen für die Chirurgen, die das machen“, forderte Lauterbach, „und schlicht und ergreifend verboten sein“.
Werner Mang, Präsident der Internationalen Gesellschaft für ästhetische Chirurgie und Chef der Bodenseeklinik, sieht das anders. „Natürlich muss der Schönheitswahn schleunigst gestoppt werden“, sagt er zur AZ (siehe auch Interview). „Aber nicht mit politischen Verboten. Davon gibt’s bei uns eh schon zu viele.“ Ein verantwortungsbewusster Arzt brauche keine Verbote. Die schwarzen Schafe seien ein Fall für die Ärztekammer. „Ihnen sollte die Approbation entzogen werden.“ Mang redet sich geradezu in Rage. „Das es Ärzte gibt, die 12- und 13-Jährigen, die ja noch im Wachstum sind, Silikon-Implantate einpflanzen, ist mehr als unverantwortlich.“
Geschäftemacherei
Sie tun’s meist aus Geschäftemacherei, so Mang. „Die Nachfrage ist groß.“ Aber warum haben Mädels, die vor kurzem noch mit Barbie gespielt haben, Push-up-Busen im Kopf?
„Das hat mit dem Werte- und Familienverfall unserer Gesellschaft zu tun“, holt Mang aus. „Die Kinder wachsen mit Fernseher, Nintendo, Computer und Internet auf, kriegen ständig eingehämmert, dass gutes Aussehen wichtig ist.“
Die Folge: Sie wünschen sich von Mami und Papi zum 12. oder 13. Geburtstag einen Busen wie Germany’s Top-Model Heidi Klum oder einen Waschbrett-Bauch wie David Beckham.
Das mag verstehen, wer will. Völlig unverständlich aber ist, dass Eltern sich darauf einlassen. „Diese Auswüchse kommen aus Amerika“, sagt Mang. „Es gibt Eltern, vor allem Mütter, die glauben tatsächlich, je schöner ihr Kind ist, um so mehr Chancen hat es, berühmt und erfolgreich zu sein.“
Segelohren
In seine Praxis kämen Mütter mit vierjährigen Mädchen, denen er die Segelohren anlegen soll. „Oft haben die Mädchen gar keine abstehenden Ohren, aber ihre Mütter bilden es sich ein. Sie wollen einfach aus ihrer Tochter eine kleine Prinzessin machen, die möglichst bald ihren Prinzen findet.“
Mang, verheiratet und Vater von zwei Kindern, schüttelt den Kopf: „Ich versuche immer wieder, diesen Frauen klar zu machen, dass es wichtiger ist, was ihre Kinder im Kopf haben, als wie ihr Kopf aussieht, aber viele hören gar nicht zu – und gehen dann einfach zu jemandem, der das Kind operiert, ohne groß zu fragen.“
Natürlich, räumt Mang ein, gebe es Fälle wie eine Hakennase oder Reithosen-Oberschenkel, wo er eine OP befürworte und das „Skalpell wichtig für die Seele eines jungen Menschen ist“, ihn von Komplexen befreien. Aber solche Eingriffe dürften je nach Indikation frühestens ab 16 oder nach 18 Jahren gemacht werden.
Und das, so der Experte eindringlich, „nur in Absprache mit einem verantwortlichen Chirurgen, im Dialog mit den Eltern und eventuell auch einem Psychologen“.
Renate Schramm