Sex über alles – aber nicht überall
Die öffentliche Lustmacherei sorgt für Frust daheim.Was der Mangel an gesellschaftlichen Tabus mit der toten Hose im Bett zu tun hat.
HEIDELBERG Bereits 723 000 Deutsche haben sich in Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ verirrt. Ob sie sich tatsächlich bis zur letzten Seite durch die Sperma- und Eiterreservoire durchgekämpft haben, ist nicht bekannt. Sicher ist – mal wieder: Sex sells. Tabubrüche boomen – in Kino, Literatur, Medien, Internet. Noch nie, so Experten, war Sex so konsumierbar, so allgegenwärtig wie heute.
Doch genau diese öffentliche Lust scheint privat für Frust zu sorgen und erotische Phantasien auszubremsen, so aktuelle Studien. Laut Experten nimmt die sexuelle Aktivität seit den 90er Jahren stetig ab. Derzeit haben 32 Prozent der Frauen und zehn Prozent der Männer keine Lust auf Leidenschaft. Und rund 50 Prozent der Deutschen haben seltener als einmal pro Woche Sex.
Tabus für eine Kultur der Lüste
„Es sieht fast so aus, als seien gerade Tabus eine notwendige Voraussetzung für eine ,Kultur der Lüste’", schreibt der Heidenberger Sexualforscher Peter Fiedler in dem Magazin „Gehirn & Geist“. „Heute hingegen scheint in Sachen Sex fast alles möglich und die öffentlichen, teils banalen Dauerstellungen von und über Sexualität tragen ihr Übriges dazu bei, dass ein wichtiges Element sexueller Begierde und Lust verloren geht.“
Die früher nur heimlich mögliche Sexualität habe viel zur wechselseitigen Anziehung von Mann und Frau beigetragen, war auch ein „Kernelement jeder guten schöngeistigen Literatur und auch von Oper und Operette“.
Singles leben bewusst allein
Heute dagegen, so der Heidelberger Professor zur AZ, „wird man permanentmit Sex infiltriert – das bedrückt mehr als es befriedigt“. Hinzu komme, „die Rahmenbedingungen haben sich sehr geändert. Viele Singles leben bewusst allein. Dazu gibt es immer mehr Menschen, die immer mehr arbeiten müssen. Die abends müde sind und ihre Ruhe wollen.“
Heute dagegen, so der Heidelberger Professor zur AZ, „wird man permanentmit Sex infiltriert – das bedrückt mehr als es befriedigt“. Hinzu komme, „die Rahmenbedingungen haben sich sehr geändert. Viele Singles leben bewusst allein. Dazu gibt es immer mehr Menschen, die immer mehr arbeiten müssen. Die abends müde sind und ihre Ruhe wollen.“
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