Schwere Ausschreitungen in Barcelona - Protest gegen Sparpolitik

Drei Jahre nach dem Beginn der Wirtschaftskrise haben die Spanier erstmals massiv gegen die Sparpolitik ihrer Regierung protestiert. Ein Generalstreik sollte die Wirtschaft des Landes lahmlegen. Doch längst nicht alle Arbeitnehmer folgten dem Aufruf der Gewerkschaften.
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Vermummte liefern sich in Barcelona Straßenschlachten mit der Polizei
dpa Vermummte liefern sich in Barcelona Straßenschlachten mit der Polizei

BARCELONA - Drei Jahre nach dem Beginn der Wirtschaftskrise haben die Spanier erstmals massiv gegen die Sparpolitik ihrer Regierung protestiert. Ein Generalstreik sollte die Wirtschaft des Landes lahmlegen. Doch längst nicht alle Arbeitnehmer folgten dem Aufruf der Gewerkschaften.

Zum Abschluss eines Generalstreiks haben Hunderttausende Spanier gegen die Sparpolitik der Regierung von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero protestiert. Nach Angaben der Gewerkschaften nahmen an den Kundgebungen am Mittwochabend in Madrid, Barcelona und anderen Städten insgesamt 1,5 Millionen Menschen teil. Die Zeitung „El País“ (Internetausgabe) bezifferte die Zahl der Demonstranten dagegen auf 200 000.

Die großen Gewerkschaftsverbände UGT (Allgemeine Union der Arbeiter) und CCOO (Arbeiterkommissionen) bezeichneten den ersten Generalstreik seit acht Jahren in Spanien als einen Erfolg. „Die Regierung steht mit dem Rücken zur Wand“, meinte der CCOO-Chef Ignacio Fernández Toxo. Demgegenüber sagte Arbeitsminister Celestino Corbacho, die Spanier seien dem Streikaufruf nur teilweise gefolgt. „Der Ausstand wird mäßige Auswirkungen haben“, meinte der Minister.

Der Generalstreik war gegen eine Arbeitsmarktreform der Regierung gerichtet und hatte nur einen Teil der Wirtschaft des Landes lahmgelegt. Nach Gewerkschaftsangaben folgten landesweit 70 Prozent der Beschäftigten dem Aufruf zur Arbeitsniederlegung. Weite Bereiche der Wirtschaft funktionierten jedoch fast normal. Während in Autofabriken und anderen Industriebetrieben die Produktion zum Erliegen kam, war in anderen Branchen von dem Streik kaum etwas zu spüren. Die meisten Geschäfte, Kaufhäuser, Gaststätten und Banken waren normal geöffnet.

In Barcelona kam es zu schweren Ausschreitungen. Etwa 50 Vermummte aus der Autonomen-Szene lieferten sich im Zentrum der katalanischen Metropole Straßenschlachten mit der Polizei. Sie errichteten Barrikaden, setzten einen Streifenwagen sowie Müllcontainer in Brand, warfen Schaufensterscheiben ein und verwüsteten eine rechtsradikale Buchhandlung. Die Polizei nahm 13 mutmaßliche Gewalttäter fest und räumte ein von Autonomen besetztes, ehemaliges Bankgebäude. An mehreren Streikposten kam es zu Auseinandersetzungen. In ganzen Land wurden während des Streiks rund 100 Menschen wegen Gewalttätigkeiten festgenommen.

Der Generalstreik war der erste in Zapateros Amtszeit. Der Ausstand traf auch Tausende von Urlaubern. Allerdings waren die Auswirkungen nicht so gravierend wie erwartet. In ganz Spanien wurden nach Angaben der Flughafenbehörde AENA bis zum Nachmittag fast zwei Drittel der 1600 geplanten Flügen abgewickelt. Auf der Ferieninsel Mallorca wurde mehr als die Hälfte der planmäßigen Flüge aufrechterhalten.

Der Streik hatte auch Auswirkungen in Deutschland. Allein am größten deutschen Flughafen in Frankfurt fielen am Mittwoch 22 Flüge von und nach Spanien aus. Auch in Stuttgart, Köln/Bonn, Berlin, Hamburg, Stuttgart, München und mehreren Regional-Airports wurden einzelne Starts annulliert oder verschoben.

In Spanien wurden die Großmärkte in Madrid und Barcelona von Streikposten blockiert, so dass in den Supermärkten weniger Frischwaren angeboten wurden. Die Zeitungen erschienen mit Notausgaben und waren mancherorts gar nicht zu haben, weil der Vertrieb bestreikt wurde. Die regionalen Fernsehsender Telemadrid und mussten Canal Sur mussten ihre Programme unterbrechen. Der staatliche Sender TVE strahlte zum Teil Programmkonserven aus.

In Spanien hatte es seit der Wiedereinführung der Demokratie zuvor vier ganztägige Generalstreiks gegeben, drei gegen die Regierung des Sozialisten Felipe González (1985, 1988 und 1994) und einen gegen den Konservativen José María Aznar (2002). Nur beim Streik 1988 gelang es den Gewerkschaften, die Wirtschaft komplett zum Stillstand zu bringen. Der Stromverbrauch lag am Mittwoch 17 Prozent unter dem Normalwert. Beim vorigen Generalstreik 2002 waren es 25 Prozent gewesen.

dpa

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