Schüler dürfen weiter Noten geben

Sieg für Spickmich.de, Niederlage für eine online bewertete Lehrerin: Der Bundesgerichtshof wies eine Klage gegen das Lehrerbewertungsportal ab und sieht das Persönlichkeitsrecht der Pädagogin nicht verletzt.
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Bundesgerichtshof in Karlsruhe
dpa Bundesgerichtshof in Karlsruhe

Sieg für Spickmich.de, Niederlage für eine online bewertete Lehrerin: Der Bundesgerichtshof wies eine Klage gegen das Lehrerbewertungsportal ab und sieht das Persönlichkeitsrecht der Pädagogin nicht verletzt.

Dürfen Schüler ihre Lehrer im Internet benoten? Ja, dürfen sie. Diese Antwort hat am Dienstagnachmittag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gegeben. Das Gericht hatte die Klage einer Lehrerin aus dem nordrhein-westfälischen Moers geprüft, die von Schülern im Internetportal Spickmich.de. bewertet worden war.

Das Persönlichkeitsrecht eines Lehrers werde dadurch nicht verletzt, entschied der BGH. Die Revision der Lehrerin wurde zurückgewiesen. Die Pädagogin, die im Unterrichtsfach Deutsch die Note 4,3 erhalten hat, sah ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Das höchste deutsche Zivilgericht hat damit erstmals über die Zulässigkeit der von Schülern im Internet abgegebenen Lehrerzensuren entschieden. Es betonte aber, es handele sich «durchaus um einen Einzelfall». Nach dem Urteil vom Dienstag können Lehrer nicht verhindern, dass sie in Internetportalen von Schülern anonym benotet werden. Der Persönlichkeitsschutz der Pädagogen sei nicht verletzt, solange keine Daten aus der Privat- oder Intimsphäre oder unsachliche Schmähkritik veröffentlicht werde, so die Bundesrichter. Damit ist die Klage in allen Gerichtsinstanzen gescheitert. Auch das Landgericht und das Oberlandesgericht Köln hatten die Klage der Pädagogin abgewiesen. Mit der BGH-Entscheidung ist das Urteil rechtskräftig.

Streit um «Waffengleichheit»

Bei der mündlichen Verhandlung, zu der die Lehrerin nicht erschienen war, beklagte deren Anwältin Cornelie von Gierke eine fehlende «Waffengleichheit». Über Lehrer könnten anonym Behauptungen verbreitet werden, gegen die sich Pädagogen praktisch nicht wehren könnten. Sie verwies auch auf die Gefahr der Manipulation: die angebliche Schülerumfrage könnte die Meinung eines einzigen Schülers sein; in dem Fall hätten nur vier Schüler zur Bewertung beigetragen. Auch sieht die Anwältin mit Bewertungen wie «cool» oder «menschlich» die Privatsphäre ihrer Mandatin verletzt. Der Anwalt der drei vor Gericht erschienenen spickmich- Geschäftsführer sah hingegen erst durch das Portal die «Waffengleichheit» zwischen Schülern und Lehrern hergestellt. Angesichts von angedrohten Schulausschlüssen in verschiedenen Städten für den Fall, dass sich Schüler an dem Portal beteiligen, sei die Anonymität «sachgerecht». Auch könnten Lehrer als «Interessierte» ihre Meinung sagen. «Hier fehlt etwas die Souveränität beim Umgang mit Schülerkritik», sagte der Anwalt am Rande der Verhandlung.

Viele Rechtsfragen

Die Lehrerin, die von der Lehrergewerkschaft GEW unterstützt wurde, hatte auch bei Gerichten der unteren Instanzen bislang keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln, die Vorinstanz im BGH-Verfahren, entschied im Sommer 2008: Die Zeugnisse sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Unter anderem, weil lediglich die «Sozialsphäre» der Lehrer betroffen sei - also ihr berufliches Wirken - und nicht etwa das deutlich stärker geschützte Privatleben. Die Vorsitzende Richterin des BGH-Senats, Gerda Müller, sagte bereits zu Verhandlungsbeginn: «Der Fall wirft viele Rechtsfragen auf» - auch solche, die sich bei anderen Portalen ergeben. Betroffen sei in diesem Fall der berufliche Bereich, «in dem der einzelne sich schon Kritik gefallen lassen muss». Auf spickmich.de können Schüler ihre Lehrer bewerten - etwa danach, ob sie «fachlich kompetent», «gut vorbereitet», «menschlich» oder gar «cool und witzig» sind. Die spickmich.de-Betreiber berufen sich auf die Meinungsfreiheit.

Die Klägerin hat noch die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Eine aufschiebende Wirkung hätte dies aber nicht. (dpa/AP) Aktenzeichen: Bundesgerichtshof VI ZR 196/08

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