Schmonzetten-Silvio oder Disco-Walter?

Wahlkampf auf Italienisch: Ex-Regierungschef Berlusconi und Mitte-Links-Kandidat Walter Veltroni bekämpfen sich mit zwei absurden Wahl-Hymnen. Die Konservativen singen vom Glück, dass es Silvio gibt, die Linken haben kurzerhand "YMCA" der Village People neu aufgelegt.
Die Angestellte im Call-Center, der junge Typ im Business-Look, der greise Boccia-Spieler aber auch der Eisverkäufer und der Pizzabäcker. Alle singen sie mit: "Meno male che Silvio c'è?" - "Ein Glück, dass es Silvio gibt." Mit einer Italo-Pop-Schmonzette, die dem Schlagerfestival von San Remo alle Ehre gemacht hätte, hat es der listige Berlusconi mal wieder geschafft. Vor den italienischen Parlamentsneuwahlen am Sonntag und Montag, legte der Mailänder Medienzar eine populäre Wahlkampf-Hymne vor, die es nun tatsächlich zum Ohrwurm geschafft hat. Wie jede wirkungsvolle Propaganda, so setzt auch der Soundtrack der Berlusconi-Kampagne auf eine simple Botschaft: Silvio, erlöse uns von dem Bösen, Präsident, wir sind mit Dir. Ja. wir geben Dir unsere Stimmen.
"Präsident, wir sind mit Dir"
Der konservative Ex-Ministerpräsident, der vor der Rückkehr aus der Opposition an die Macht steht, verdingte sich einst selbst als Pop-Barde auf Kreuzfahrtschiffen. Als Mann vom Fach dürfte er sich daher über das Werk des Liedermachers Andrea Vantini sehr gefreut haben. "Die Zeile 'Präsident, wir sind mit Dir, ein Glück, dass es Silvio gibt' ist mir ganz spontan eingefallen. Sie kommt von Herzen. Ich höre immer wieder, dass auch diejenigen, die anders über Berlusconi denken, ab und zu diesen Refrain vor sich hinsingen", sagt der bisher eher unbekannte Musiker zur offensichtlichen Massentauglichkeit seiner Hymne.
Abklatsch eines Hits aus den 70ern
Zwei Monate nach dem Rücktritt der Mitte-Links-Koalition von Romano Prodi, sollen die etwa 50 Millionen wahlberechtigten Italiener die nunmehr 62. italienische Regierung der Nachkriegszeit wählen. Als wäre die offensichtliche Unfähigkeit der italienischen Polit-Kaste, eine stabile Regierung zu bilden und zu stützen nicht schon Skandal genug, steht das Land derzeit vor Problemen, die so massiv wie selten sind: Korruption und Mafia-Macht, Müllkrise in Neapel, Dioxin im Mozzarella, gepanschter Billigwein.
Bis entschieden ist, ob sich Berlusconis Rechtsbündnis PDL (Volk der Freiheit) oder die Mitte-Links-Partei PD (Demokratische Partei) unter Führung von Walter Veltroni dieser Probleme annehmen wird, muss die musikalische Show der Kandidaten freilich weitergehen. Und auch Berlusconis Kontrahent Walter Veltroni steht diesbezüglich seinem Gegenspieler in nichts nach: Zu den Noten des "YMCA"-Hits der Village People singt die italienische Linke: "Cantiamo tutti insieme: I am PD" - "Singen wir alle zusammen, ich bin PD." PD hat indes nichts mit dem amerikanischen Edel-Rapper P.Diddy zu tun, sondern ist das Kürzel der Demokratischen Partei Veltronis. Ob sich mit dem Abklatsch eines 70er Hits tatsächlich die linke Wahlkampf-Botschaft vom Aufbruch vermitteln lässt? Auf dem Video-Portal youtube wurde der Clip zu Berlusconis Schmonzette bereits über 230.000 Mal aufgerufen. Veltronis YMCA-Kopie schaffte es nur auf 170.000.
Köpfe, Herzen und Ohren
Beobachter sehen Berlusconi als Wahl-Favoriten, obgleich Veltroni in den letzten Wochen eine ordentliche Aufholjagd hinlegte. Der Kampf um den Einzug in den Palazzo Chigi, den Sitz des Regierungschefs in Rom, wird bis Sonntag weitergehen. Wer die Köpfe und Herzen der Italiener letztlich gewinnt, ist offen. Die Ohren der Italiener, scheinen Berlusconi nach seinem Hit "Meno male che Silvio c'è?" nicht mehr zu nehmen sein.
Reinhard Keck