Schlafen im Büro - in Deutschland oft nicht bei den Chefs erwünscht

"Snoozing is losing" – wer schlummert, verliert. Das ist eine alte Regel der Manager. Doch ausgeschlafene Mitarbeiter bringen mehr Leistung, das erkennen erste Konzerne – allerdings nicht in Deutschland.
von  dpa, Burkhard Fraune
Am Schreibtisch ein Nickerchen machen? Das gibt (noch immer) viel Spott von Chefs und Kollegen.
Am Schreibtisch ein Nickerchen machen? Das gibt (noch immer) viel Spott von Chefs und Kollegen. © imago

München - Witze darüber gibt’s genug. Wie den hier: "Lieber acht Stunden Büro als gar keinen Schlaf." Schlafen, das hat keinen guten Ruf, und selbst das kleinste Nickerchen ist an den meisten Arbeitsplätzen tabu. Dabei meinen Schlafmediziner: Wir sollten uns viel häufiger mal zu den Akten legen. Büroschlaf steigere die Leistung.

Erste US-Konzerne haben es begriffen und fördern das Dösen am Arbeitsplatz. Doch hierzulande passiert wenig. Warum eigentlich? Ingo Fietze leitet das schlafmedizinische Zentrum an der Berliner Charité. Er meint: "Dass Schlaf besser ist als die zehnte Tasse Kaffee, das spricht sich nur sehr langsam rum."

"Suppenkoma" nach der Mittagspause 

Nach dem Gang in die Kantine entscheiden sich die meisten Beschäftigten für den langen Kampf gegen das "Suppenkoma" und gegen ein kurzes Nickerchen. Ärzte warnen: Auf Dauer kann keiner gegen seine innere Uhr leben.

Schlafstörungen führten zu Tausenden von Krankmeldungen, so verliere die deutsche Volkswirtschaft pro Jahr 60 Milliarden Euro. Fietze ist sicher: Mittagsschläfchen bei der Arbeit könnten die Summe drücken. "Denn wenn der Mitarbeiter müde ist, gibt es eher Fehler und auch Unfälle am Arbeitsplatz." 

Bis zu 40 Prozent mehr Leistung dank "Power Nap"

Ein "Power Nap" steigere die Leistungsfähigkeit um bis zu 40 Prozent, meinen Forscher. Doch noch immer brüsteten sich Manager damit, dass sie mit wenigen Stunden Schlaf auskämen. "Snoozing is losing" – wer schlummert, verliert.

Nur wenige bekennen sich zum Gegenteil: Amazon-Gründer Jeff Bezos etwa, laut Forbes der reichste Mann der Welt. Er rühmt seinen allnächtlichen "acht Stunden Premium-Schlaf". Tesla-Chef Elon Musk klagt derweil, dass er nur mit Schlaftabletten Ruhe finde.

In der Google-Zentrale stehen Liegesessel bereit, in denen Mitarbeiter unter einer Kugelhaube dösen. Nike hat in Portland Schlafräume. Die Unternehmerin Ariana Huffington wirbt für das Erfolgsrezept Schlaf – in den USA ist von einem Kulturwandel die Rede.

Und in Deutschland? Unternehmen zu finden, die den Schlaf der Mitarbeiter aktiv fördern, ist die Nadel-Suche im Heuhaufen.

Nur selten zählt Schlaf zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, wie etwa im Bosch-Entwicklungszentrum bei Heilbronn. Mit Kopfhörern können Mitarbeiter auf Klangliegen dösen. Bei BASF gibt es "Powernapping"-Kurse. "Insbesondere Schichtmitarbeiter berichten über eine erfrischende Wirkung der Naps", so eine Sprecherin.

"Das Thema ist nicht abschließend untersucht", sagt die Vereinigung der Arbeitgeberverbände. "Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass ein Mittagsschlaf die Arbeitsfähigkeit oder das Wohlbefinden fördert."  Es gebe viele weitere Faktoren, etwa wann man schläft.

Sechs Stunden, 49 Minuten und 48 Sekunden schlafen Arbeitnehmer im Schnitt

"Es kann sich auch ein Unfallrisiko ergeben, wenn man nach einem Mittagsschlaf nicht richtig wach wird", warnen die Arbeitgeber. Sechs Stunden, 49 Minuten und 48 Sekunden schlafen Arbeitnehmer durchschnittlich, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermittelte.

Wie viel Schlaf jeder braucht, ist unterschiedlich. Viele Forscher aber sehen die Deutschen als übermüdete Gesellschaft. Wann werden Arbeitnehmer müde? Am ehesten zwischen 12 und 14 Uhr und zwischen 16 und 18 Uhr, sagt Charité-Arzt Fietze. Sein Rat: direkt am Schreibtisch wegdösen. "Je unbequemer, desto besser." Dann versinke man nicht im Tiefschlaf. Als die Stadt Vechta vor Jahren ihren Bediensteten ein Mittagsschläfchen genehmigte, lief der Beamtenbund Sturm.

Schlaf habe einen schlechten Ruf, meint Fietze. "Wer schläft, ist ein Faulenzer." Das sei ein speziell deutsches Vorurteil. "In Asien schläft jeder überall und keiner regt sich darüber auf."

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