Scheidung von Sir und Flegel

Die Komiker-Kombi ist nach eineinhalb Jahren gescheitert. Jetzt macht Harald Schmidt alleine weiter – und Oliver Pocher haut ab zu Sat1
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MÜNCHEN - Die Komiker-Kombi ist nach eineinhalb Jahren gescheitert. Jetzt macht Harald Schmidt alleine weiter – und Oliver Pocher haut ab zu Sat1

Wenn der Vorstandschef gefeuert wird, hat man sich „einvernehmlich getrennt“, wenn ein Promi seine Frau wegen einer Jüngeren verlässt, ist „aus Liebe Freundschaft geworden“. Und wenn Harald Schmidt und Oliver Pocher ihre gemeinsame Sendung beenden, bedeutet das nicht, dass das Konzept gescheitert ist. „Es hat sich bewährt. Es hat beiden gutgetan“ , sagt Produzent Fred Kogel. Jetzt ist es vorbei. Heute haben die beiden ihre letzte Sendung, das Erste zeigt am kommenden Donnerstag noch ein Best-of. Schmidt macht künftig alleine weiter. Und Pocher, der von ARD-Granden und –Gremien mehr als einmal Gegenwind bekommen hatte, geht.

Am Ende hat ARD-Programmchef Volker Herres Pocher halten wollen, ihm eine Sendung am späten Samstagabend angeboten. Doch auch andere, darunter RTL–König und Produzent Günther Jauch wollten ihn. Jetzt steht fest: er geht zu Sat1. Er bekommt eine wöchentliche Late-Night-Show. „Oliver Pocher ist jung und hat sich für das echte Abenteuer entschieden: Für die Erlebniswelt von Sat1. Bon voyage! Keine Frage, ich hätte ihn lieber im Ersten gesehen“, sagt Herres. Pocher sagt: „Mein Verjüngungsauftrag bei der ARD ist vorerst erfüllt, jetzt kann ich mich auf neue Aufgaben konzentrieren.“

Messerscharf oder flegelhaft?

Entgegen der Sprachregelung; Die Kombination Schmidt und Pocher hat sich nicht bewährt. Die Sendung sollte mehr Zuschauer gewinnen und jüngere. Beides ist nur minimal gelungen. Vorher hatte Schmidt 1,26 Millionen Zuschauer, mit Pocher 1,29. Vorher waren die Zuschauer im Durchschnitt 54 Jahre alt, mit Pocher 51. Die Zuschauer haben nie so recht begriffen, was die Sendung denn nun ist: Satire (Schmidt) oder Comedy (Pocher), messerscharf (Schmidt) oder flegelhaft (Pocher).

Diese Aufteilung ist selbstverständlich ungerecht, aber die Wahrnehmung der beiden war so. Achtung: „Jugendkriminalität ist das Thema Nr 1. Man muss auch ganz ehrlich sagen: Man kann jetzt nicht jeden Zwölfjährigen einsperren. Das trifft ja dann vor allem die Migrantenfamilie, wenn der Haupternährer wegfällt.“ Von wem ist das?

Und das? „Ich finde es gut, wenn deutsche Schüler Türkisch lernen, zum Beispiel falls sie mal in Antalya eine nette, kleine Engländerin kennen lernen.“ Das erste war von Pocher, das zweite von Schmidt.

Immer Ärger mit den Rundfunkräten

Der Sir darf vieles, Mann aus dem Kabarett, dessen Polenwitze in den 90ern – natürlich erst heute – von den Feuilletons als Avantgarde anerkannt werden. Über den Stauffenberg-Film „Walküre“ hat Schmidt gesagt: „Der Film endet wie erwartet: Hitler überlebt. Es kam schon ein Glückwunsch-Fax von Jopi Heesters - also zur Qualität des Filmes insgesamt.“ Pocher trat in Stauffenberg-Uniform auf und sagte „Die Uniform hat uns Prinz Harry zugeschickt“ und fuhr dann fort mit seinen Dschungel-gags fort. Dafür sollte er gehen – wäre es nach SWR-Rundfunkräten gegangen.

Auch als die Rapperin Lady Bitch Ray Pocher Intimsekret in einem Döschen überreichte, gab es Ärger mit den Gremien. In Zeiten, in denen Charlotte Roche auf der Frankfurter Buchmesse ihre „Muschi“ zu Markte trug, galt Pocher wegen Lady Bitch Rays Auftritt als Gefahr für öffentlich-rechtliche Geschmackssicherheit. Und Schmidt? Der saß peinlich berührt neben der Bitch, als sähe er seine Sendung zum ersten Mal.

Gelungenes Duett als seltene Ausnahme

Hat Pocher ihm gutgetan, wie Kogel meint? Naja, er hat den Bundesfinanzminister als „Bundeszwegat“ bezeichnet – vorher wusste er wohl nicht, wer RTL-Schuldnerberater Zwegat überhaupt ist. Abersonst? Schmidt braucht Pocher nicht und Pocher Schmidt nicht. Andere Typen, anderes Publikum. Pocher hatte die Themen Fußball, Boris, Bohlen. Schmidt blieb bei Obama, Beckstein und der Telekom. Befruchtet haben sich die beiden selten: Zum Beispiel in einem Sketch, in dem sie sich alsDschungelbewohner nachts unterhalten. Schmidt kotzt sich beim Kollegen darüber aus, wie die Sender-Bosse wirklich ticken – beste Mediensatire auf zwei Ebenen. Doch das gelungene Duett war die Ausnahme.

Nun hat die ARD: Erstens ihr althergebrachtes Problem, zu viele alte und zu wenig junge Zuschauer. Zweitens einen Satiriker, der im Wahlkampfjahr versuchen will, wieder zu alter Stärke zurückzufinden. Und Drittens weiterhin Geschmackspolizisten in den Gremien, die experimentierfreudigen Nachwuchs, wenn er überhaupt kommt, wieder vergraulen.

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