Scheiden tut nicht mehr weh
Makaber oder angemessen humorvoll? Feste und Feuerwerk nach der Ehe: Warum Geschiedene es krachen lassen und was die Kirche vom diesem Trend hält.
Frisch geschieden? Sie auch? Prima, dann kann die Party ja steigen. Das Ehe-Fiasko in Stille zu betrauern ist out. Was die US-Rockröhre Pink kann – ihre Scheidung von Motocross-Profi Carey Hart lautstark zu feiern – das können wir nun auch. Der Trend aus Amerika und Großbritannien ist in Deutschland angekommen: Tusch, die Scheidungs-Party! Immer mehr Geschiedene vertreiben die Geister der Vergangenheit mit einem rauschenden Fest.
„Fast zwei Jahre bin ich völlig durchgehangen, jetzt mag ich nicht mehr“, berichtet Bankkauffrau Nicole N. (29), quirlige Mutter eines sechsjährigen Buben. Ihr Mann, Stefan (36), hatte ihr damals nach fünf Jahren Ehe seine neue Liebe zu einer Anderen gebeichtet. Nach Monaten Depressionen und Herzweh entschied sie sich, die Scheidung einzureichen.
Nun ist der Richterspruch gefallen, die Tränen sind versiegt und ihre Freundinnen arrangieren Nicole ein Abschiedsfest vom Scheidungsleid. Mit Sahnetorte, Partyluftballons und Glückwunschkarten zur „Glücklichen Scheidung“. „Ex – und hopp!“, sagt Nicole, „jetzt lasse ich alles hinter mir und fange nochmal ganz neu an.“
Vor 20 Jahren....
Jedes zehnte geschiedene Paar in Bayern lässt’s zum Abschied krachen, schätzt der renommierte Münchner Scheidungsanwalt Hermann Messmer. „Vor 20 Jahren war das noch anders. Da ging das geschiedene Paar anschließend höchstens noch mit den Anwälten zum Essen.“
Heute trommeln die Geschiedenen oft zu einer lautstarken Sause.“ Wenn auch deutlich harmloser, als jenseits des großen Teichs. In den USA, so schrieb die „New York Times“, entwickle sich dieses Fest zu einer „Kreuzung aus Junggesellen-Abschied und bacchanalischer Teufelsaustreibung“. In Großbritannien schickt man Feuerwerk in den Himmel.
Dennoch kommt der Katzenjammer
Hierzulande wird Champagner bestellt, gelästert über den oder die Ex und deren eh schon so lange nervigen Eigenheiten. Mitunter sucht die Runde eine Tabledance-Bar auf und stößt dort auf eine rosige Zukunft an. Nicht selten allerdings auch unter Tränen: Weil zwar der ganze Freundeskreis da ist, nicht aber der Verflossene, der doch immer dazugehörte. Weil liebgewonnene Freunde wegblieben, die nun lieber mit dem Ex feiern. Dann kommt der große Katzenjammer, trotz aller guten Vorsätze, dennoch.
„Wenn eine Scheidungsparty nur der Ablenkung und Verdrängung dienen soll, hilft sie nicht weiter“, sagt die Paartherapeutin Katja Sundermeier, „aber sie ist ein sinnvolles Ritual, wenn man mit dem Alten in seinem Innersten wirklich abgeschlossen hat.“
Bei Programmierer Markus P. (38) funktionierte das. Von Gattin Anne (34) trennte er sich ohne Rosenkrieg. Nach neun Jahren erst verliebter, dann harmonischer und endlich blutleerer Ehe stimmte es für beide nicht mehr. Sie sprachen sich aus, sie blieben Freunde – und feierten im Doppelpack.
Die passende Deko liefert die Rinteler Unternehmerin Uta Krüssmann. Als sie ihre Scheidung begießen wollte, stellte sie fest: die Freunde fanden kein passendes Geschenk. Seither vertreibt sie unter „Scheidungsartikel.de“. Partyaccessoires wie T-Shirts, Sekt, Luftballons und Kaffeetassen mit der Aufschrift „frisch geschieden“. Der Renner im Programm ist das „Glücklich geschieden-Starkbier“. Gerade nicht lieferbar – wegen zu viel Nachfrage.
„Glücklichen Scheidung“ in Konditoreien
Längst sind auf den Trend auch deutsche Konditoreien aufgesprungen. In München hat das Café Münchner Freiheit Torten zur „Glücklichen Scheidung“ im Sortiment, wahlweise bestückt mit Zuckerfigürchen oder den Fotos der bruchgelandeten Eheleute.
Makaber oder angemessen humorvoll? Nachdem jede dritte Ehe nicht durch den Tod, sondern vor Gericht beendet wird, betrachten die Deutschen das Aus jedenfalls immer weniger als peinliche Angelegenheit. Nach Umfragen halten rund 75 Prozent eine Scheidung für „die beste Lösung, wenn ein Paar seine Eheprobleme nicht lösen kann“.
Die katholische Kirche beobachtet die neuen Scheidungs-Sausen mit Skepsis: „Eine Trennung, selbst im Guten, ist kein Grund zum Feiern“, sagt Winfried Röhmel, Sprecher des Bischöflichen Ordinariat in München. Und fragt: „Muss denn alles heute zum Event gemacht werden? Dass das die richtige Form der Auseinandersetzung mit dem Ende einer Ehe ist, bezweifle ich. Was haben die zu feiern? Und auf welche Party gehen sie? Auf zwei?“
Am 14. Juni erreicht das Treiben seinen ersten Höhepunkt in der Republik. Dann veranstaltet ein Internetportal in Düsseldorf die erste deutsche Massen-Scheidungsparty mit 400 Feierwütigen. Partys in anderen Bundesländern sollen folgen.
Irene Kleber
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