Sardinien: Die Perlen der Nordwest-Küste

Bei Sardinien denkt man unweigerlich an die Costa Smeralda. Ein Fehler. Denn auf der zweitgrößten Insel des Mittelmeeres gibt es Alternativen ohne den Jetset. Dafür mit wunderschönen Stränden und traumhaften Resorts. Auf den Spuren des "wahren Sardinien".
von  (mabo/spot)

Olbia, Sardinien, sechs Uhr morgens. Die Fähre aus Livorno entlässt die Passagiere aus ihrem riesigen Rumpf. Im Schritttempo rollt unser blauer Audi Q3 am Kai entlang, Rad an Rad mit anderen Autos, Wohnwagen, Motorrädern, Trucks. Im Stadtzentrum verflüchtigt sich die Karawane in alle Himmelsrichtungen. Italiens zweitgrößte Insel nach Sizilien, 270 Kilometer lang und 145 Kilometer an der breitesten Stelle, ist landschaftliches Wunderland. Betörend schön und wild zugleich. Touristisches Publikum: Vom Jetset bis zu Einsiedlern, die das Eiland still für sich allein genießen wollen. Platz ist genug. Auf Sardinien leben nur 1,64 Millionen Menschen. Macht rein rechnerisch eine Bevölkerungsdichte von gerade mal 66 Insulanern pro Quadratkilometer.

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Wahrzeichen der Nordküste Sardiniens: die Isola Rossa mit ihrer Traumbucht Foto:Delphina Hotels

 

Wir machen uns auf, die Insel zu durchqueren. Von Olbia im Nordosten zur Isola Rossa an der Küste im Nordwesten. Das sind zwar nur gut 80 Kilometer, aber gefühlt das Doppelte. Es ist eine Straße der hundert Kurven, die auf Berge führt und durch Täler, die frühmorgens noch schlafenden Orte tragen merkwürdig klingende Namen wie Priatu, Tempio Pausania oder Aggius. Sie sind die Ouvertüre zu einer großartigen Symphonie, in der sich die verschwenderische Schönheit der Natur harmonisch findet. Mit einem grandiosen Fortissimo gleich hinter Trinità d'Aguitu, wo die Straße einen spektakulären Blick hinunter auf das Meer freigibt. Von der Morgensonne angestrahlt ragen dort rötlich schimmernde Felsen wie ein Wahrzeichen hervor. Buongiorno, Isola Rossa!

Preisgünstigere Alternative zur Costa Smeralda: 5-Sterne-Hotel Marinedda Foto:Uli Eder

 

"Nicht so schlecht, unsere Aussicht", lächelt Alessandro Fumagalli mit der Gewissheit des Logenplatz-Besitzers. Der Mann ist um seinen Job mit Aussicht zu beneiden - er ist Manager des Hotel Marinedda, dessen Luxuszimmer sich im gepflegten Garten auf dem Rücken eines sanften Hügels befinden, der sich bis an den Sandstrand hinunterzieht. Rechtzeitig zur Sommersaison hat das Marinedda nach umfangreicher Renovierung den fünften Qualitätsstern erhalten und ist damit zwischen Alghero im Westen und Santa Teresea Gallura an der Nordspitze entlang von gut und gerne 150 Küstenkilometern das einzige Hotel der Luxusklasse.

Weshalb Alessandro den Vergleich mit den Resorts an der berühmten Costa Smeralda nicht scheut. "Wer auf Luxusshopping und Prominente verzichten kann", sagt er, "ist bei uns besser aufgehoben. Denn hier ist das wahre Sardinien." Was er - vermutlich aus Höflichkeit - verschweigt, ist die Tatsache, dass eine vergleichbare Unterkunft an der Costa Smeralda und speziell rund um den Glamour-Ort Porto Cervo vor allem in der Hochsaison unbezahlbar ist.

Im Maddalena-Archipel wirkt Sardinien wie die Karibik Foto:Uli Eder

 

 

Ein Segeltörn zum Maddalena-Archipel

 

Enge Gassen mit Meerblick im pittoresken Santa Teresa di Gallura Foto:Uli Eder

 

Der vom Hotel organisierte Segeltörn entlang der Küste zur Inselgruppe Maddalena vermittelt einem einen nachhaltigen Eindruck vom "wahren Sardinien". Es geht vorbei an Orten wie Costa Paradiso, das seinen Namen schon deshalb zurecht trägt, weil dort einer der schönsten Strände des Mittelmeeres liegt. Oder Portobello di Gallura mit seinem kilometerlangen Küstenstreifen, den die Sarden seines feinen Sandes wegen Rena Majore getauft haben. Ein paar Seemeilen weiter, unweit von Capo Testa, wird die Küste wilder und zerklüfteter. Mächtige Felsgruppen wechseln sich ab mit kleinen Stränden; ein Bild, das an die Seychellen erinnert.

Dann, kurz vor der Nordspitze Sardiniens, gegenüber sind die Konturen von Korsika zum Greifen nahe, formiert sich das Gestein zum Wall. Ganz so, als sollte der äußerste Zipfel der Insel vor den Gewalten des Meeres geschützt werden, die die Segler in der Straße von Bonifacio bei schlechtem Wetter und rauer See so sehr fürchten. Simona, unser Tourguide, eigentlich Südafrikanerin und seit sechs Jahren auf Sardininen lebend, findet einen treffenden Vergleich: "An dieser Küste ist es wie in meiner Heimat: Wild, weit, mit jeder Menge Möglichkeiten, einen einsamen Strand zu entdecken."

Das Valle dell'Erica, erstes Luxusresort auf Sardinien, aus der Vogelperspektive Foto:Delphina Hotels

 

Kaum hat das Segelschiff Santa Teresa di Gallura hinter sich gelassen, den nördlichsten Punkt Sardiniens, entdecken wir um die kleinen Inseln des Maddalena-Archipels, insgesamt 60 an der Zahl, die Karibik in Europa. Vor der Insel Budelli, deren berühmter pinkfarbener Strand einen unwirklich schönen Kontrast zu dem kristallklaren, türkisfarbenen Wasser davor zaubert. Schade nur, dass unverbesserliche Touristen dort so viel Sand stahlen, dass das Betreten des Inselchens verboten wurde.

Also weiter nach Caprera, auch ohne Pink nicht minder schön und noch dazu berühmt: Die Insel gehörte einst dem legendären italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi, der dort 27 Jahre lang lebte, ehe er am 2. Juni 1882 um 6.21 Uhr in seinem feudalen Anwesen (inklusive Museum zu besichtigen) für immer die Augen schloss. Und wer sich über die Hütten nebenan wundert, deren morsche Dächer wie Spitzhüte in den Himmel ragen: sie gehörten zum Club Med, der vor 40 Jahren zusperrte und seitdem - unglaublich genug - an diesem privilegierten Standort keinen Nachfolger fand.

Poollandschaft im Valle dell'Erica Foto:Delphina Hotels

Erstes Luxusresort auf Sardinien: Valle dell'Erica

Beachbar an einem der acht kleinen Strände des Luxusresorts Foto:Uli Eder

 

Das könnte daran liegen, dass es in dieser Gegend genügend kleine Paradiese gibt, an erster Stelle das Valle dell'Erica Resort in Sichtweite auf dem Festland. Natürlich fünf Sterne, allein die acht (!) kleinen dazugehörigen Buchten, mit feinstem Sand gesegnet, hätten einen sechsten verdient. 1958 eröffnet, war das Valle dell'Erica die erste Ferienanlage Sardiniens, und lange bevor Aga Khan in den Sechzigern die Costa Smeralda schuf, urlaubten hier gekrönte Häupter und Prominente. 2013 kam mit dem La Licciola ein zweites Luxusdomizil hinzu, und auch dort werden die Urlauber königlich behandelt - Suiten mit Privatpool, ein von einer Granitfelsen-Formation umgebenes Spa und ein Pitch- und Putt-Golfplatz inklusive. Die Costa Smeralda vermisst hier garantiert keiner, aber wer sich einmal in den Trubel dort stürzen mag, hat es nicht weit. Nur ein paar Kilometer sind es nach Palau, wo der bis nach Olbia reichende 20 Kilometer lange Küstenabschnitt der Reichen und Schönen beginnt.

Malerischer Küstenort mit markanter Burg: Castelsardo Foto:Uli Eder

 

Uns zieht es zurück an die Isola Rossa, wo es in entgegengesetzter Richtung noch jede Menge des wahren Sardinien zu entdecken gibt. Erster Pflichtstopp ist der weitläufige, acht Kilometer lange Strand von Badesi. Baden, an einem der kleinen Restaurants bei einem Espresso die Füße in den Sand stecken und mit Blick auf das von den Sonnenstrahlen wie ein Feld von Diamanten zum Glitzern gebrachte Meer träumen. Herrlich. Und dann weiter nach Castelsardo, die Fahrt über sattgrüne Hügel zwischen Palmen und Kakteen genießen, ehe man sich nicht sattsehen kann an diesem malerischen Küstenort mit seiner pittoresken Altstadt, die sich bergauf windet bis unterhalb der Burg, von der man grandiose Ausblicke auf den Golf von Asinara hat.

Eine der schönsten Ecken Sardiniens: La Pelosa mit Strand und Turm Foto:Uli Eder

 

Natürlich reicht ein Tagestrip nicht aus, um zu entdecken, was es zu entdecken gibt. Aber ein Abstecher nach Stintino ist Pflicht, wenn man ein absolutes Highlight nicht versäumen will. Vergilbte Schwarzweiß-Fotografien erinnern in dem kleinen Fischerdorf an längst vergangene Tage. Und im Hafen, in dem sich die Segelyachten aneinander reihen wie Perlen an der Schnur, spielt der Wind eine wunderbare Melodie: Drahtseile schlagen gegen die Masten, Fähnchen flattern, die Wellen plätschern an der Kaimauer. Natürlich ist diese kleine Hafenmusik überall zu hören, wo Boote ankern.

Aber nicht wie in Stintino, wo man die Melodie noch im Ohr hat, wenn ein paar Kilometer weiter am Strand von La Pelosa die Augen verwöhnt werden. Ein wunderbares Fleckchen Erde, gerahmt vom Torre Pelosa, an dessen Mini-Eiland sich tosend die Wellen brechen, und der Naturschutzinsel Asinara, einem Paradies für Ruhesuchende und Wanderer. So schön kann die Welt sein. Allerdings: Bitte nicht in der Hochsaison besuchen, wenn die Menschenmassen die Gegend in Beschlag nehmen. Aber zum Glück gibt es Rückzugsorte. Wie Isola Rossa und das Marinedda. Oder die kleinen Buchten des Valle dell'Erica. Orte, die eine andere Seite des wahren Sardinien zeigen - die der wahren Gastfreundschaft.

La Pelosa mit der Naturschutzinsel Asinara im Hintergrund Foto:Uli Eder

 

Weitere Informationen: Das Hotel Marinedda Thalasso & Spa und das Resort Valle dell'Erica Thalasso & SPA gehören zu den Delphina Hotels & Resorts, einer Gruppe von insgesamt acht Häusern der 4- und 5-Sterne-Kategorie auf Sardinien in Familienbesitz. www.delphinahotels.de

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