San Francisco verbannt Nackte aus der Öffentlichkeit

In Amerikas liberaler Hippie-Hochburg San Francisco wird es bald zugeknöpfter zugehen. Ein Nacktheitsverbot soll Gesetz werden.
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In Amerikas liberaler Hippie-Hochburg San Francisco wird es bald zugeknöpfter zugehen. Ein Nacktheitsverbot soll Gesetz werden.

San Francisco - Ausgerechnet in San Francisco, wo die Hippies einst den "Summer of Love" feierten und die Schwulenbewegung in Gang kam, soll ein Nacktheitsverbot Gesetz werden.

Mit knapper Mehrheit stimmten elf Stadtverordnete am Dienstag einem Entwurf zu, wonach entblößte Genitalien auf Straßen, Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln tabu sind. Einigte Nudisten kamen gleich zur Sache: Mitten in der Sitzung ließen sie aus Protest die Hüllen fallen. Beamte verteilten Handtücher. Ein nacktes Durcheinander, wie man es selbst in San Francisco nicht alle Tage sieht.

Es seien einfach zu viele Nackedeis auf der Straße, lamentierte der schwule Stadtverordnete Scott Wiener in der Sitzung. Viele Anwohner in seinem Castro-Bezirk, der Schwulenhochburg San Franciscos, hätten sich bei ihm beschwert. Fast täglich würden Nudisten, auch als "Naked Guys" bekannt, ihre Genitalien zur Schau stellen. Auf Plätzen und Straßen, wo Familien einkaufen und Touristen bummeln gehen. "Die öffentliche Nacktheit geht einfach zu weit", erklärte Wiener, der damit genügend Kollegen im Stadtrat überzeugte.

Tatsächlich gibt es bei vielen Anlässen viel zu sehen. Beim jährlichen "Bay To Breakers"-Volkslauf tragen Dutzende Läufer nichts außer Socken und Schuhe. Beim Folsom-Straßenfest der Leder- und Fetisch-Szene ist ebenfalls viel nackte Haut dabei, ebenso bei der Gay-Pride-Parade. Daran will Wiener auch nichts ändern. Bei besonderen Feiern und Straßenparaden will die Stadt ein Auge zudrücken. Brüste dürfen weiter gezeigt werden. Auch müssen sich nackte Kinder unter 5 Jahren nicht vor strengen Ordnungshütern fürchten.

Vor einem Jahr setzte sich Wiener bereits mit einer Vorschrift durch, dass sich Nackte nicht einfach auf Parkbänke oder Stühle in Cafés setzen dürfen. Aus hygienischen Gründen müssen ein Handtuch oder eine ähnliche Unterlage benutzt werden.

Die neue Vorschrift geht nun weit darüber hinaus: Keine entblößten Genitalien oder Hinterteile auf Bürgersteigen, Straßen, Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. 100 Dollar Strafe (etwa 78 Euro) beim ersten Verstoß, danach wird es noch teurer. Die Verordnung soll im Februar 2013 in Kraft treten. Sie muss zuvor eine zweite Abstimmung durchlaufen und vom Bürgermeister unterzeichnet werden.

Die Debatte um "Public Nudity" erregt die Gemüter. Bill Eadie lebt seit mehr als 40 Jahren im Castro-Viertel, er ist schwul, aber kein Nudist. "Ich bin sogar ein bisschen konservativ, aber gegen öffentliche Nacktheit habe ich nichts", beteuerte der 70-Jährige. "Das gehört hier zum Straßenbild."

Dutzende Nudisten haben schon protestiert, natürlich ohne Kleidung. Nach einer nackten Demonstration vor dem Rathaus im Oktober reichte eine Gruppe in der vorigen Woche vorsorglich Klage ein. "Nacktheit fällt unter das Recht auf freie Meinungsäußerung", sagte ihre Anwältin Christina DiEdoardo der Nachrichtenagentur dpa. Das habe nichts mit "unsittlicher Entblößung" zu tun. DiEdoardo vertritt unter anderem eine dreifache Mutter, die eine Nudisten-Talk-Show mit dem Namen "Meine nackte Wahrheit" moderiert.

"Statt Nudisten zu vertreiben, soll die Polizei lieber gegen die Raucher auf der Straße vorgehen", wetterte Dean Whitney auf einem Platz im Castro-Viertel. "Leute sterben nicht an Nacktheit, aber durch Passivrauch", ereiferte sich der 49-Jährige. Castro-Anwohner Eadie ärgert sich über das Argument der Verbotsbefürworter, dass Nacktheit viele Touristen und Besucher vor den Kopf stößt. "Wer hierherkommt, der weiß, auf was er sich einlässt. Das ist wie beim Zoo-Besuch, wo man Tiere sieht. Wir sind ein Schwulenviertel, da laufen schon mal Nackte rum."

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