Samenspende statt Partnerschaft: 32-jährige Solo-Mutter stößt nicht überall auf Akzeptanz

Hamburg – Der Kinderwunsch wächst, eine dafür gereifte Beziehung ist nicht in Sicht. Was tun? Stephanie Pinkowsky aus Hamburg will ihr Kinderglück selbst in die Hand nehmen, auch ohne Partner. Und entscheidet sich für eine Samenspende. 2022 wird sie Mutter einer Tochter. Also ganz bewusst: Solo-Mutter. Die 32-Jährige aus Hamburg erzählt der AZ im Interview, warum sie diesen Weg gegangen ist und wo sie (noch) nicht auf Akzeptanz stößt.
AZ: Frau Pinkowsky, Sie haben sich mit 30 Jahren entschieden, ein Kind zu bekommen, ohne Partner und mithilfe einer Samenspende. Warum haben Sie den Weg der Single-Mutter gewählt?
Stephanie Pinkowsky: Ich war viele Jahre in einer Partnerschaft mit einem 30 Jahre älteren Mann. Für ihn war das Thema Familienplanung schon abgeschlossen. Mit Anfang 20 war das kein großes Problem, damals war das auch für mich noch weit weg. Ich bereue diese Beziehung nicht, aber sie passte nicht zu dem, was ich mir langfristig für meine Zukunft vorgestellt hatte. Mit Ende 20 habe ich die Sehnsucht nach einem Kind verspürt. Natürlich könnte man jetzt fragen: Warum habe ich mir dafür nicht einen anderen Partner gesucht?
Was sprach dagegen?
Er war meine erste große Liebe und ich wusste, ich muss mir Zeit geben, um diese Trennung zu verarbeiten. Ich wollte mich nicht wegen des Kinderwunsches in eine neue Beziehung stürzen. Für mich war es so die allerbeste Entscheidung.
Hat man nicht Angst davor, wie es als alleinerziehende Mutter werden könnte?
Angst hat es bei mir nicht ausgelöst. Ich wusste, dass meine Familie hinter mir steht. Das ist meiner Ansicht nach vor allem bei alleinerziehenden Frauen sehr wichtig. Ich bin selbstständig und kann nicht drei Jahre in Elternzeit gehen. Ich wusste, ich kann mich auf sie verlassen.
Wie war es, die Schwangerschaft allein durchzustehen und etwa besondere Momente nicht mit dem Partner teilen zu können?
Ich wusste von Anfang an, dass das ein anderer Weg sein wird – aber dieser muss deswegen nicht schlechter sein. Ich habe meine Schwangerschaft im Familien- und Freundeskreis zelebriert. Bei der Geburt war meine Mutter dabei. Ich habe niemanden vermisst.
"Unangenehme Erfahrung" beim Hausarzt
Wie kam die Entscheidung bei Ihrem Umfeld an?
Interessanterweise ließen mich auch viele Freundinnen meiner Mutter – die Generation Babyboomer – wissen, dass sie das sehr mutig finden. Einige Frauen meinten sogar: Wenn das früher schon möglich gewesen wäre, hätten sie sich den Ärger mit ihrem Ex erspart. (lacht)
Gab es auch negatives Feedback, zum Beispiel: Ein Kind brauche auch einen Vater?
Eher im medizinischen Kontext. Man muss vor der Behandlung gewisse Gesundheitsuntersuchungen vorlegen. Als ich meinem Hausarzt von der Samenspende erzählt habe, spürte ich, dass er damit ein moralisches Problem hat und es ihn stört. Samenspenden sind legal in Deutschland. Er war anderer Meinung. Das war eine unangenehme Erfahrung.
Für die Kinderwunschbehandlung sind Sie nach Dänemark gegangen. Warum?
Das hing mit den bürokratischen Hürden zusammen, die eine Behandlung in Deutschland mit sich gebracht hätte.
"Diskriminierender Beigeschmack"
Zum Beispiel?
Das ist von Klinik zu Klinik unterschiedlich, die meisten fordern aber zumindest eine "Garantie-Person", die der wirtschaftlichen Absicherung dient. Damit nicht die Klinik auf Unterhalt verklagt werden könnte, wenn die Frau zum Beispiel arbeitslos wird. Manche Kliniken fordern auch eine psychosoziale Beratung. Auch wenn dies sicherlich nicht die Intention ist, hinterlässt diese Beratungspflicht, die ausschließlich für Singlefrauen gilt, einen diskriminierenden Beigeschmack. Ich soll begutachtet werden und meinen Kinderwunsch von fremden Menschen hinterfragen lassen, weil ich als Singlefrau ein Kind möchte. Wenn man es platt ausdrückt: Wenn man mit einer Disco-Bekanntschaft ungeschützten Sex hat und daraus ein Kind entsteht, war vorher auch keine psychosoziale Beratungsstelle aktiv. Darüber hinaus setzen manche Kliniken eine anwaltliche Pflichtberatung als Aufklärung über diverse rechtliche Einzelheiten für Solo-Mütter voraus, die man selbst bezahlen muss. Egal, wo man sich in Deutschland hinwendet, es ist immer bürokratischer als in Dänemark.
Was war dort anders?
Es hat sich normal und natürlich angefühlt. Man musste sich nicht erklären, die Atmosphäre war warmherzig. Ich hatte großes Glück: Ich brauchte nur einen einzigen Versuch. Dadurch hielten sich auch die Kosten in Grenzen.
Welche Schwierigkeiten erleben Sie im Alltag?
Sehr wenige, muss ich sagen. Meine Tochter ist noch nicht im Kindergarten, ich kann mir meine Zeit als Selbstständige gut einteilen. In meinem Umfeld hat auch noch niemand gesagt: "Um Gottes Willen, wie kann man nur?" Das Einzige, was nicht so einfach ist, ist die Sache mit den Behörden. Zum Beispiel bei der Geburtsanmeldung wurde die Angabe "Samenspende Dänemark" erst nicht akzeptiert. In einem Brief vom Jugendamt hieß es, ich solle einen Termin vereinbaren und den Vater mitbringen. Das hat mich irritiert.
Wie oft müssen Sie sonst erklären, wer oder wo der Vater ist?
Bisher gar nicht. In vielen Spielgruppen sind ohnehin meistens die Mamas mit den Kindern dort, da kommt die Frage gar nicht auf. Vielleicht wird das noch im Kindergarten oder in der Schule aktueller.
Wie wollen Sie Ihrer Tochter die Situation einmal erklären?
Wir fangen tatsächlich schon damit an. Ich habe – neben Informationen zu Bildung, Hobbys, Interessen bis hin zum Musikgeschmack des Spenders – von der Samenbank auch ein Kinderfoto des Mannes. Das zeige ich ihr: ein kleiner Junge mit blonden Haaren und einer Baby-Katze auf dem Arm. Ich erzähle ihr, dass das heute ein netter Mann ist, der uns geholfen hat, dass sie zu ihrer Mama kommen konnte.
"Das ist kein Papa, er ist ein Spender"
Kann sie ihn später kennenlernen?
Ja, das war mir auch sehr wichtig. Es war eine offene Spende. Das heißt, wenn sie volljährig ist, kann sie sich an die Samenbank wenden und Kontakt aufnehmen. Aber sie muss natürlich wissen: Dieser Spender wird nie die Vaterrolle einnehmen. Das ist kein Papa, er ist ein Spender.
Können Sie sich diesen Weg ein zweites Mal vorstellen?
Aktuell habe ich keinen Kinderwunsch. Es ist natürlich fordernd allein mit einem Kleinkind. Ich möchte ihr jetzt meine ganze Aufmerksamkeit und Zeit widmen. Aber wer weiß, wie ich in ein paar Jahren darüber denke. Und ich möchte natürlich auch nicht für immer Single bleiben. (lacht)
"Viele Formen von Familie"
Was würden Sie sagen: Ist Deutschland für so ein Familien-Modell wie Ihres schon bereit?
Gerade bei den Behörden gibt es hier noch etwas zu tun. Es gilt immer das Modell Mutter und Vater als Norm. Als Solo-Mutter ist man immer sehr in Erklärungsnot, es begreiflich zu machen: Nein, der Vater kann nicht kontaktiert werden. In bürokratischer Hinsicht ist noch nicht angekommen, dass diese Familienform existiert. Aber ich hoffe, dass sich das ändert, da immer mehr Solo-Mütter ihre Geschichte erzählen.
Teilen Sie auch deswegen Ihre Erfahrung öffentlich?
Ich wünsche mir, dass unsere Familienform ebenso Normalität wird und wir uns von der in vielen Köpfen fest verankerten Moralvorstellung lösen, es gebe nur das Non-Plus-Ultra und einzig Gute. Denn es gibt viele Möglichkeiten und Formen von Familie und keine ist besser oder schlechter. Ich sage nicht: Die Solo-Mutterschaft ist das Beste und es braucht keine Väter mehr – das ist überhaupt nicht meine Meinung. Ich finde, jede Frau, jedes Paar – egal, ob gleichgeschlechtlich oder Mann und Frau – sollen sich ihren Kinderwunsch erfüllen können.
Samenspende in Deutschland – Das muss man wissen
Auf dem Informationsportal Kinderwunsch, das vom Bundesfamilienministerium betrieben wird, heißt es, dass jährlich in Deutschland mehr als 1000 Kinder mithilfe einer Samenspende geboren werden. "Dabei sind verschiedene Familienkonstellationen denkbar: Bei den Eltern kann es sich um Mann und Frau, zwei Frauen oder eine Solomutter handeln", heißt es auf der Seite. Von einer Samenspende spreche man, wenn die Spende im Rahmen einer medizinischen Kinderwunschbehandlung stattfindet und über das Samenspenderregistergesetz rechtlich abgedeckt wird. Eine private Samenspende, etwa unter Freunden, ist also nicht damit abgedeckt.
Das Samenspenderregistergesetz sieht vor, dass die Daten von Samenspendern und -empfängerinnen für 110 Jahre gespeichert werden. An das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte könne sich demnach jede Person wenden, die vermutet, durch eine Spende entstanden zu sein. Dann könnten betroffene Kinder einen Antrag auf Auskunft stellen. Wie etwa die Samenbank in Erlangen auf ihrer Seite erklärt, könne der Mann auch dann nicht als Vater benannt werden, wenn das Kind über die genetische Abstimmung Kenntnis hat. Und klar geregelt ist auch: Der Spender ist nicht unterhaltspflichtig, wie es auf der Informationsseite Kinderwunsch weiter heißt.