Saab in Gefahr
Nach der Insolvenz: Warum das schwedische Auto vor dem Drive-In, für Architekten und Zombie-Szenen in Hollywood unverzichtbar ist
Wenn Saab pleite geht, hat Hollywood ein Problem. Denn das schwedische Traditionsunternehmen liefert die wichtigsten Nebendarsteller, müsste am Sonntag eigentlich mit einem Oscar prämiert werden.
Die AZ hat in einer Datenbank gestöbert und ist überraschend auf tausendfache Beweise gestoßen: Als in „Terminator 3“ Arnold Schwarzenegger in einem durchlöcherten Van eine Verfolgungsjagd absolviert, kommt ihm ein Saab 900 entgegen. In „Matrix“ hetzen die Bösen eine Straße entlang und passieren dabei einen ausgebrannten Saab 99. In „28 weeks later“ sind die Zombies los und klettern vorzugsweise über Saabs. Und als in „The Dark Knight“ ein Sportwagen in die Luft fliegt, bleibt ein Saab Cabrio auf dem Parkplatz nebenan schön am Boden. Zufall? Gewiss nicht. Das Auto scheint wie gemacht für diese Rollen, unaufdringlich und doch irgendwie filmreif.
Trotzdem hat die Firma am Freitag Insolvenz angemeldet, will die Marke jedoch als unabhängiges Unternehmen weiterführen – ohne den Mutterkonzern General Motors. Ein privater Käufer wird gesucht, produziert wird künftig wohl nur in Schweden, was dieses Jahr auch Ausfälle für Opel in Rüsselsheim bedeutet. „Das, was bei Saab passiert ist, wirft zusätzliche dunkle Schatten auf Opel“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer.
„Eleganz nicht auf den ersten, sondern auf den zweiten Blick“
Architekten, Rechtsanwälte und Ärzte – laut einem Branchenmagazin die häufigsten Saab-Fahrer – können jedenfalls aufatmen. Einer von ihnen, der Architekt Sebastian Dellinger (42), sieht die Loslösung von General Motors gar als Chance. „Die Übernahme 2000 war der Anfang vom Ende, die haben alles amerikanisiert, dem Saab die Identität genommen“, sagt er zur AZ.
Die Identität? Dellinger gerät in Schwärmen: „Diese Eleganz nicht auf den ersten, sondern auf den zweiten Blick hat den Mythos begründet.“ Sein Liebling ist der 900er. „Die alten Saabs sind Autos aus einem Guss, mit Liebe zum Detail, mit guten und skurrilen Formen, die nie banal waren.“
Von den aktuellen Modellen trifft das wohl am ehesten noch auf das 9-3er Cabrio zu, das meistverkaufte beim Münchner Autohaus Bauer am Goetheplatz. Die Insolvenz-Meldung traf den Saab-Händler aus heiterem Himmel. „Wir haben keinen Rückgang gespürt“, sagt Juniorchef Andreas Bauer. Sicher, das skandinavische Design sei manchen schon immer zu nüchtern gewesen, doch übe es einen besonderen Reiz aus – „auf Menschen, die sich nicht mehr über ihr Auto definieren müssen, keine protzige Kiste brauchen und lieber das Understatement pflegen“.
„Mit dem Ding fährst du so herrlich inkognito"
Dazu gehört offenbar auch die Journalistin Heike Predikant (35), die sich 2007 einen Saab zulegte. In Grau. „Aber kein Mausgrau, sondern ein cooles Grau“, stellt sie klar. „Patina und Charme“ habe ihr Gefährt, sei „wahnsinnig schnell“ (220 Stundenkilometer) und mache ein schönes Geräusch beim Gas geben. „Das klingt fast porscheähnlich.“ Jeder, der einsteige, lobe das Auto. Kein Wunder, handelt es sich doch um ein rares Modell, den 900er Turbo, 1987 verschönert vom Designer Odoardo Fioravanti.
Heute ist die Produktpalette vergleichsweise mickrig, Innovationen rollen nur noch selten aus dem Werk in Trollhättan. Dabei hatte Saab, ehemals Produzent von Sturzkampfbombern, ab 1947 Autogeschichte geschrieben, zum Beispiel das Zündschloss zwischen die Vordersitze verlagert (um Knieverletzungen bei Unfällen zu vermeiden), als erster Hersteller den Seitenaufprallschutz eingeführt, die Vordersitze beheizt, einen Turbomotor eingebaut – und alles, ohne viel Wirbel um sich selbst zu veranstalten.
Auch deshalb halten Fans im Internet dem Saab die Treue: „Mit dem Ding fährst du so herrlich inkognito – vor die Oper oder den Drive-In!“, schreibt ein User. Und ein anderer fragt nicht ohne Stolz: „Ist euch aufgefallen, dass in Prospekten für Immobilien, in denen Autos als Nebensache dargestellt werden, Saab extrem überproportional vertreten ist?“ Eben wie in Hollywood. Unvorstellbar, dass irgendwann ein Kia, Hyundai oder Lada die angestammte Saab-Nebenrolle übernimmt.
Timo Lokoschat, Felix Baumann