Regional ist beliebter als bio - wie sich Kunden zurechtfinden
"Regional" steht für kurze Transportwege und frische Ware. Aber Achtung: Es kann getrickst werden – und viele Hersteller sind einfallsreich. Die AZ erklärt, worauf man achten sollte
MÜNCHEN Wenn sich ab Freitag auf der Grünen Woche in Berlin alles um Lebensmittel dreht, wird an einem Thema kein Vorbeikommen sein: Regionalität. Für den Bund stellt Verbraucherministerin Ilse Aigner ihr „Regionalfenster“ vor, für Bayern will Ernährungsminister Helmut Brunner Neuerungen fürs Bayerische Regionalsiegel präsentieren.
Der Grund liegt auf der Hand: Die regionale Herkunft, so eine neue Umfrage des Verbraucherministeriums, ist für 67 Prozent der Deutschen eines der entscheidenden Kriterien beim Einkauf. Damit liegt sie sogar vor dem Preis (66 Prozent) und der Herkunft aus biologischem Anbau (61 Prozent). Mehr Zustimmung gab’s lediglich auf die Frage nach der besonders tiergerechten Haltung (89 Prozent). Psychologen erklären sich den Trend mit einem Sehnsuchtsgefühl: nach einem Gegenpol zur Globalisierung, hin zu mehr Ortsverbundenheit.Die AZ erklärt, was „regional“ bedeutet und wo die Verbraucher in die Irre geführt werden.
Welche Vorteile haben Lebensmittel aus regionaler Herkunft? Entscheidend sind die kurzen Transportwege. Die sind klimafreundlich und versprechen mehr Frische. Es gibt jedoch auch Studien, die an diesem Nutzen zweifeln: So fand die Uni Gießen heraus, dass bei der monatelangen Lagerung von Äpfeln aus der Region ähnlich viel CO2 ausgestoßen wird wie beim Schiffstransport frischer Äpfel von der Südhalbkugel. Ergebnis: Regional ist am besten, wenn es auch Saison hat. Häufiges Missverständnis: Regional ist nicht gleich bio. Der Begriff sagt in der Regel nichts aus über die Art der Erzeugung (ökologisch, tiergerecht, ohne Gentechnik).
Was steckt hinter Begriffen wie „regional“, „heimisch“ oder „aus der Gegend“, denen man auch im Supermarkt immer häufiger begegnet? Für alle gilt: Sie sind nicht geschützt. Und damit ist die Kluft zwischen Kundenerwartung und Werbeversprechen programmiert. Die Vorstellung des Kunden ist noch ganz klar: „Wenn von regional die Rede ist, hat der Verbraucher in der Regel die Erwartung, dass 100 Prozent der Zutaten aus der näheren Region stammen“, sagt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern. Doch Hersteller entscheiden selbst, was sie unter „Heimat“ oder „Region“ fassen – ob der Radius 50 oder 500 Kilometer beträgt und ob 10, 50 oder 100 Prozent der Zutaten von dort stammen. Fazit: Hinter einem regionalen Lebensmittel kann sich eines verbergen, das lediglich in der Region verarbeitet wurde. Oder dessen Zutaten nur anteilig von dort stammen.
Wo wird getrickst? Regionale Mogelpackungen sind für die Kunden oft leider schwer zu erkennen. Expertin Krehl fallen sofort einige Beispiele aus dem Supermarkt ein, etwa Erdbeermarmelade. Mag auf dem Etikett auch „heimisch“ stehen, können die Früchte doch im Ausland geerntet worden sein – es reicht, wenn sie hier verkocht werden. Ähnlich der Saft mit dem Namen „Heimische Früchte“: Auf dem Etikett ist neben Äpfeln und Birnen auch die Acerolakirsche zu sehen – und die wächst in tropischen Regionen. Beispiel Milch: Hier wird enttäuscht, wer bei „Alpenmilch“ an Berghänge in den Alpen denkt. Für manche Hersteller beginnen die Alpen jedoch südlich der Donau. Der Tipp von Verbraucherschützerin Krehl: „Gerade bei großen Firmen wäre ich skeptisch, ob regional nicht nur eine Werbemasche ist.“
Wo findet man gute regionale Qualität? Gute Adressen sind Hofläden. Ebenso Wochen- und Bauernmärkte (Infos auf www.muenchen.de und www.muenchner-bauernmaerkte.de).
Woran kann sich der Kunde im Supermarkt orientieren? Bei Obst, Gemüse und Fleisch rät die Ernährungsexpertin, auf das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ (GQ) zu achten. Zudem gibt es nach Auskunft Krehls zahlreiche empfehlenswerte Regionalinitiativen, darunter etwa „Unser Land“, „Region aktiv Chiemgau-Inn-Salzach“ oder „Naturkäserei Tegernseer Land“.
Was helfen Siegel? Das „GQ“-Siegel besagt, dass alle Zutaten aus Bayern stammen und alle Produktionsschritte hier durchgeführt wurden. Demnächst soll es um ein „Bayerisches Regionalsiegel“ ergänzt werden, zunächst aus der Region „Ammergauer Alpen“. Auch die anderen Bundesländer haben „GQ“-Siegel – doch mit anderen Anforderungen. Thüringen etwa verlangt, dass lediglich 50 Prozent der Zutaten von dort stammen. Um das zu ändern, fordern die Verbraucherzentralen schon lange einheitliche Regeln.
Was bringt das „Regionalfenster“, das Verbraucherministerin Aigner am Freitag vorstellt? Es soll zeigen, wo die Zutaten herkommen und verarbeitet wurden. Zwölf Wochen lang wird das Konzept in fünf Regionen (ohne Bayern) getestet. Voraussetzung: Die erste Hauptzutat muss zu 100 Prozent aus der Region stammen. Beträgt sie weniger als 50 Prozent des Gesamtgewichts, so müssen auch die weiteren Zutaten jeweils zu 100 Prozent aus der Region stammen – bis mindestens 51 Prozent des Gesamtgewichtes erreicht sind. Nichts ausgesagt wirdüber die Art der Erzeugung.
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