Rauch und Rausch – und ganz legal

Was ist dran, was ist drin in „Spice“? Die Behörden prüfen die neueste Modedroge der Jugendszene; die Kräutermischung ist der neueste Trend. Die Polizei kann die Bio-Droge nichtnachweisen. Experten sind ratlos.
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Die getrockneten Kräuterbrösel duften penetrant süßlich, nach Lavendel, Nelke und Rose. Spice, die neue Modedroge.
dpa 2 Die getrockneten Kräuterbrösel duften penetrant süßlich, nach Lavendel, Nelke und Rose. Spice, die neue Modedroge.

Was ist dran, was ist drin in „Spice“? Die Behörden prüfen die neueste Modedroge der Jugendszene; die Kräutermischung ist der neueste Trend. Die Polizei kann die Bio-Droge nichtnachweisen. Experten sind ratlos.

Von Christoph Landsgesell

MÜNCHEN Normalerweise verkauft Mohammed Wahedi in seinem Laden „Bollywood Bombay“ in der Bayerstraße DVDs, Räucherstäbchen und Zubehör für Wasserpfeifen. Doch seit einigen Wochen wollen die Kunden vor allem eins: „Spice“ – auf Deutsch „Gewürz“. Denn die Kräutermischung ist der neueste Trend: eine Droge, frei verkäuflich – und ganz legal, ohne Altersbeschränkung.

Die getrockneten Kräuterbrösel duften penetrant süßlich, nach Lavendel, Nelke und Rose. „Eine exotische Gewürzmischung, die beim Verbrennen ein reiches Aroma entfaltet“, steht auf der Rückseite des Päckchens. Eigentlich als Räucherwerk gedacht, drehen sich die Konsumenten den Mix in Joints. Pur oder zusammen mit Tabak. Das Resultat: eine berauschende Wirkung, ähnlich wie Cannabis.

„Teilweise kommen 100 Leute pro Tag, die ,Spice’ haben wollen“, sagt Wahedi. Er bietet drei verschiedene Sorten an, die sich im Wirkungsgrad unterscheiden. Kosten: 25 bis 35 Euro für drei Gramm. Wegen der enormen Nachfrage und weil die Hersteller aus China mit der Produktion kaum nachkommen, verkauft Wahedi „Spice“ nur noch nach Vorbestellung. 800 Stück hat er letzte Woche beim Lieferanten geordert, 750 davon sind bereits verkauft. „Da kann man reich werden“, sagt Wahedi.

Kein Gesetz schränkt den Handel ein

„Spice“ hat er seit einem Monat im Sortiment. Wer in seinem Laden den Gewürzmix kaufen will, muss mindestens 16 Jahre alt sein – eine Regel, die er sich selbst auferlegt hat. Gesetzliche Vorschriften, die den Handel mit „Spice“ einschränken, gibt es keine.

Auch in den anderen einschlägigen Geschäften rund um den Münchner Hauptbahnhof ist das Original „Spice“ vom englischen Hersteller „Psyche Deli“ mittlerweile ausverkauft, im „Bollywood Fashion“ in der Dachauer Straße wird deshalb ein Ersatzprodukt angeboten. „Smoke“, 40 Euro für drei Gramm. Ziemlich viel für ein Häufchen getrockneter Pflanzen. „Aber es ist genau das gleiche“, sagt die Verkäuferin. „Smoke“ bezieht sie aus Holland. Woher die Zutaten stammen, weiß sie allerdings nicht. „Manche sagen aus Indien, andere aus China.“

Fakt ist: Mit „Spice“ lässt sich viel Geld verdienen. „Hoffentlich bleibt das so“, sagt Wahedi. Die Behörden sind machtlos. Zum Thema „Spice“ will sich das Münchner Landeskriminalamt nicht äußern. „Wir wollen dafür keine direkte oder indirekte Werbung machen.“

Eine Droge, die nicht nachzuweisen ist

Eine Insiderin aus der Toxikologie erzählt: „Ich weiß, dass das LKA bereits Untersuchungen angeordnet hat. Aber sie konnten keine berauschenden Substanzen feststellen. Auch wir sind im Moment ein bisschen ratlos.“ Man wisse zu wenig über die getrockneten Pflanzen – oder sonstige Inhaltsstoffe. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Mix chemische Zusatzstoffe beinhaltet. „Die Polizei kann nicht beweisen, ob jemand die Substanz zu sich genommen hat“, sagt die Toxikologin. Eine Droge, die wirkt, aber nicht nachzuweisen ist. Noch nicht.

Rudolf Pfab von der toxikologischen Abteilung im Klinikum rechts der Isar sagt: „Eine ganze Reihe Substanzen mit bekannter, teils euphorisierender Wirkung, sind schon länger bekannt. Aber wir hatten noch keinen einzigen Fall. Deshalb kann ich auch nicht einschätzen, ob es gefährlich ist.“ In der Schweiz rauchten schon 2006 Jugendliche die Kräuter. Die Universität Zürich untersuchte die Inhaltsstoffe, fand aber keinen Cannabis-Wirkstoff. Allerdings waren nicht alle Kräuter drin, die angegeben wurden.

Man ermittle jetzt, heißt es im Bundesgesundheitsministerium in Berlin. Das Bundesinstitut für Risikobewertung wertet Erfahrungsberichte aus, nächste Woche soll es eine Einschätzung über die Gefährlichkeit von Spice geben. Einfach verbieten – das geht nicht: „So etwas hängt von den Wirkstoffen ab. Eine Gewürzmischung kann schlecht verboten werden.“

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