Ramstein: Eine Tragödie hat sich in die Seele gebrannt

RAMSTEIN - An seinen Händen ist noch immer keine gesunde Haut nachgewachsen, seit er damals versuchte, sein brennendes Kind zu retten. Der Verlust seiner fünfjährigen Tochter und seiner Frau hat sich in Roland Fuchs' Gedächtnis gebrannt, wie die Narben in seine Haut.
Das Unglück kam aus heiterem Himmel. Etwa 300.000 Menschen waren an dem schönen Sommertag des 28. August 1988 zum Flugtag auf den pfälzischen US-Militärflughafen Ramstein gekommen, um die spektakuläre Show zu sehen. Bei der letzten Programmnummer passierte es: Zwei Militärjets der italienischen Kunstflugstaffel «Frecce Tricolori» stießen in 40 Metern Höhe zusammen. Sie rissen eine dritte Maschine mit sich, die wie ein Feuerball in die Menschenmenge stürzte. 70 Menschen wurden bei der bislang größten Flugschau-Katastrophe in Deutschland getötet, etwa 350 schwer verletzt. Die Schreckensbilder gingen um die Welt. Am 28. August jährt sich die Ramstein-Katastrophe - die das Leben unzähliger Familien schlagartig veränderte - zum 20. Mal.
Bis heute leiden Hinterbliebene und Opfer unter dem Trauma. «Man kann das Unglück nicht vergessen», sagt der Psychologe Heiner Seidlitz, Leiter und Mitgründer der psychosozialen Nachsorgegruppe der Ramstein-Betroffenen, in Kaiserslautern. Zwei Jahrzehnte danach hätten zwar Einige «mit Ramstein leben» gelernt, aber: «Am Jahrestag reißt die Wunde immer wieder auf», sagt der Leiter der Telefonseelsorge Pfalz. Seidlitz hatte 1989 mit dem Mediziner Hartmut Jatzko die Gruppe ins Leben gerufen. Inzwischen wurden etwa 200 Betroffene aus Deutschland und den Nachbarländern betreut. Jetzt, angesichts des 20. Jahrestages, meldeten sich wieder neue Opfer. «Es gibt immer noch das Bedürfnis, darüber zu reden.»
«Meine Lieben werden nicht wieder lebendig»
Auch bei Roland Fuchs. Er verlor an dem Tag seine fünfjährige Tochter und seine Frau. Im Chaos nach dem Absturz hatte er noch versucht, sein brennendes Kind mit bloßen Händen zu retten: «Aber ich hatte keine Chance», berichtet er. Das furchtbare Ereignis hat sich in sein Gedächtnis eingebrannt wie die Narben in seine Haut. «Wenn jemand sagt: 'Es sind nun doch schon so viele Jahre vergangen, warum immer noch darüber reden müssen?', sage ich, dass auch nach so vielen Jahren meine Liebe nicht wieder lebendig werden und dass mir auch nach so vielen Jahren immer noch keine gesunde Haut nachgewachsen ist.»
Wegen körperlicher Schäden erhielten die Opfer und ihre Angehörigen von Italien, den USA und der Bundesrepublik rund 16,3 Millionen Euro. Musterklagen auf eine Entschädigung für seelische Spätfolgen blieben erfolglos. Seit dem Ramstein-Unglück sind militärische Kunstflüge in Deutschland verboten - und bei Flugvorführungen dürfen Zuschauerbereiche von Militärmaschinen nicht mehr über- oder angeflogen werden. Eine internationale Kommission hatte als Unfallursache menschliches Versagen eines der drei italienischen Piloten festgestellt.
Ramstein will nicht nur als Synonym für die Katastrophe stehen
Der Jahrestag zieht die Überlebenden immer wieder an die «Aufschlagstelle» zurück. Zur Unglückszeit um 15.48 Uhr halten sie dort Jahr für Jahr inne. Auch in diesem Jahr wird das so sein. Den Gedenkstein, den die US-Amerikaner 1989 auf der Airbase errichteten, nahmen sie nie richtig an. «Auf dem Militärgelände ist er nur schwer zugänglich», sagt Seidlitz. Daher errichteten die Hinterbliebenen eine zweite Gedenkstätte vor dem US-Gelände, auf einem kleinen Privatgrundstück, mit den Namen der 70 Toten. In diesem Jahr soll das Grundstück an den Landkreis Kaiserslautern übergeben werden. «Die Mitglieder der Gruppe werden immer älter und können nicht mehr alles in Eigenregie machen», sagt er.
Das furchtbare Ereignis hat auch Ramstein geprägt. Überall wird die 9000-Einwohner-Gemeinde mit der Flugtag-Katastrophe in Verbindung gebracht. «Das ist verständlich», sagt der Bürgermeister der Stadt und Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach, Klaus Layes (CDU). Dennoch dürfe die Stadt als Synonym nicht nur für die Katastrophe stehen. «Wir stehen auch für die Freundschaft mit vielen Völkern, allen NATO- Staaten, die mit uns gut zusammenleben.» Zum 20. Jahrestag stellt sich die Stadt ihrer Geschichte mit einer Sonderausstellung zum Flugtag. «Der Tag war Anlass für uns, der Betroffenheit der Hinterbliebenen und dem Gedenken an die Opfer gerecht zu werden.» (Birgit Reichert, dpa)