Räumt der Adel ostdeutsche Museen leer?

Das Ende der Schonfrist: Der deutsche Adel fordert vor Gericht seine enteigneten Kunstschätze zurück - zum Beispiel in Ludwigslust s
von  Andrea Hentschel
Drohen hier leere Räume und Wände: Schloss Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern
Drohen hier leere Räume und Wände: Schloss Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern © dpa

Das Ende der Schonfrist: Der deutsche Adel fordert vor Gericht seine enteigneten Kunstschätze zurück - zum Beispiel in Ludwigslust

Leipzig -  Porzellan, prunkvolle Möbel, Gemälde: Viele der weltberühmten Schätze in den Dresdner Museen, die jährlich Millionen Besucher anziehen, stammen aus dem Besitz der Wettiner. Seit Jahren verhandelt der Freistaat Sachsen mit dem Adelshaus über die gesetzlich geregelte Rückgabe von enteigneten Kunstgütern.

Dabei ist Dresden nur ein besonders prominenter Fall – betroffen sind öffentliche Sammlungen in ganz Ostdeutschland. Nicht ganz zehn Monate bleibt ihnen Zeit, sich mit enteigneten Adelshäusern und Erbengemeinschaften zu einigen – und die Kunstschätze für die Öffentlichkeit zu bewahren. Denn nach 20 Jahren läuft am 30. November die gesetzliche Schonfrist aus, während der enteigneter Besitz weiter kostenlos in den Ausstellungen verbleiben durfte.

Danach können die Eigentümer frei über ihre Kunstschätze verfügen – und sie theoretisch mit dem Lastwagen aus dem Schloss abholen. Grundlage ist das Ausgleichsleistungsgesetz von 1994. Es regelt die Rechtsansprüche auf Rückgabe der zwischen 1945 und 1949 enteigneten beweglichen Güter.

Zwei Jahrzehnte hatten die öffentlichen Museen Zeit, sich mit den Eigentümern zu einigen. Doch in zahlreichen Fällen sind die Verhandlungen noch immer nicht abgeschlossen. Mehr als 800 Jahre herrschten die Wettiner als Markgrafen, Kurfürsten und Könige über das Gebiet des heutigen Sachsen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Nachfahren des letzten Sachsenkönigs Friedrich August III. enteignet. Ein großer Teil der angesammelten Kunstwerke kam in staatlichen Besitz. Nach dem Zusammenbruch der DDR forderten die Erben tausende Kunstgüter zurück, darunter Prunkstücke aus dem Zwinger oder der Galerie Alte Meister.

Bereits 1999 verständigten sich der Freistaat und die Wettiner nach langwierigen Verhandlungen auf einen Vergleichsvertrag, der dem Adelshaus mehr als 18.000 Kunstgegenstände zusprach. Rund 12.000 davon kaufte das Land zurück, darunter den Thronsessel von August dem Starken.

Außerdem erhielt die Erbengemeinschaft Bargeld in Millionenhöhe. 2011 zahlte Sachsen dem Adelshaus erneut mehrere Millionen als Ausgleich für enteignetes Porzellan. Derzeit laufen weitere Verhandlungen, vor allem "um Bücher", wie die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erklärten.

Die meisten Restitutionen laufen stillschweigend ab. Zum Teil wurde das enteignete Vermögen direkt zurückgegeben – und tauchte dann manchmal bei Auktionshäusern wieder auf. "In vielen Fällen kam es zur gütlichen Einigung, aber nicht immer gab es Erfolge", sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder. Viele Museen kauften Kunstschätze auch wieder zurück.

llein die Kulturstiftung unterstützte diese Rückkäufe bislang mit rund 3,3 Millionen Euro. Einige Sammlungen haben zudem erst spät mit Verhandlungen begonnen oder sie verlaufen äußerst schwierig. Ein drastischer Fall ist Schloss Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern. Seit Jahren ringt das Land mit der herzoglichen Familie um eine Einigung.

Experten warnten vor zwei Jahren, das Schloss könnte in manchen Geschossen "bis zu 60 Prozent seiner Raumausstattung verlieren". Bislang gibt es noch kein Ergebnis. Die Verhandlungen seien "noch nicht abgeschlossen", erklärt ein Sprecher des Schweriner Kulturministeriums knapp.

Drohen Ludwigslust und anderen Museen nun kahle Wände und leere Vitrinen? "Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Schloss oder ein Museum nahezu leergeräumt wird", meint Pfeiffer-Poensgen.

Allerdings laufen die Verhandlungen in den Kommunen meist diskret ab und längst nicht alles wird publik. So schien auch die Lage für das Schloss Wernigerode lange aussichtslos, bis vor kurzem ein Kompromiss mit dem Fürstenhaus Stolberg-Wernigerode gelang.

Vereinbart wurde ein 20-jähriger Leihvertrag für das Inventar der sogenannten Königszimmer, die Herzstück des Museums sind. Damit bleibe die "touristische Attraktivität" des Schlosses erhalten, freute sich Oberbürgermeister Peter Gaffert nach der Vertragsunterzeichnung.

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