Radon: Wie gefährlich ist das Edelgas?

Der Bundesrat will Menschen besser davor schützen. Doch warum geht so eine große Gefahr von diesem Stoff aus? Eine Toxikologin klärt auf.
von  B. Junginger
Die Toxikologin Inge Paulini (57) ist.seit April 2017 Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS).
Die Toxikologin Inge Paulini (57) ist.seit April 2017 Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). © Julian Stratenschulte/dpa

München - Es sind zwei brisante Themen, mit denen sich der Bundesrat heute beschäftigt: Wie kann die Regierung Menschen besser vor dem Edelgas Radon schützen? Und wer darf künftig Tattoos entfernen, nur Hautärzte oder auch Tätowierer? Die AZ hat eine Expertin gefragt, was es mit der Strahlenschutzverordnung auf sich hat.

Die Toxikologin Inge Paulini (57) ist.seit April 2017 Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS).
Die Toxikologin Inge Paulini (57) ist.seit April 2017 Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). © Julian Stratenschulte/dpa

AZ: Frau Paulini, das radioaktive Gas Radon gilt als stiller Killer, nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Können die Bürger nun einen besseren Schutz vor dieser Gefahr erwarten?
INGE PAULINI: Radon kommt aus dem Untergrund und kann sich in vielen unserer Gebäude ansammeln. Sie können Radon weder sehen noch riechen. Daher muss ein Hauseigentümer oder Arbeitgeber erstmal wissen, dass überhaupt ein Risiko durch Radon bestehen kann. Wenn der Bundesrat dem Vorschlag der Bundesregierung folgt, müssen die Länder bis 2020 Gebiete ausweisen, in denen besondere Schutzmaßnahmen greifen. Dies schafft Verlässlichkeit für Menschen, die dort leben und arbeiten.

Welche besonderen Schutzmaßnahmen meinen Sie?
Zum einen müssen die Bundesländer messen und ermitteln, in welchen Regionen in Deutschland Radon in großen Mengen auftritt. Das betrifft den süddeutschen eher als den norddeutschen Raum. Wer etwas gegen eine hohe Radonkonzentration unternehmen muss, kann dies durch entsprechende Lüftungsanlagen oder radondichte Baumaterialien tun. Dazu sollte man sich immer fachlichen Rat einholen. Gegenmaßnahmen müssen aber nicht zwingend aufwendig und teuer sein. Ein gutes Lüftungskonzept kann manchmal schon ausreichen, um das Risiko deutlich zu senken.

Der Atomausstieg in Deutschland ist beschlossen, nach und nach werden die Kernkraftwerke stillgelegt. Ist Strahlenschutz bald nicht mehr nötig?
Das Gegenteil ist der Fall. Radioaktivität macht an der Grenze nicht halt. Viele erinnern sich noch an Tschernobyl. Unsere Messungen zeigen beispielsweise, dass besonders in Bayern immer noch Wildpilze einen erhöhten Cäsium-Wert zeigen, der auf den Unfall vor 32 Jahren zurückzuführen ist. Es ist also weiterhin nötig, sich auf den Fall der Fälle vorzubereiten und das tun wir. Man muss aber gar nicht so weit gehen, eine nukleare Katastrophe anzunehmen. Auch im Alltag spielt Strahlenschutz an vielen Stellen eine Rolle: Denken Sie nur an UV-Strahlung, Mobilfunk, Haushaltsgeräte, Stromnetze oder medizinische Anwendungen.

Etwa jeder vierte erwachsene Deutsche ist tätowiert. Viele lassen die Hautbilder weglasern. Heute geht es um die Frage, wer künftig ein Tattoo entfernen darf. Was fordern Sie?
Der Einsatz von Lasern ist immer mit Risiken verbunden. Sie müssen sich vorstellen, dass der Laser bei der Entfernung von Tattoos dazu genutzt wird, um kleinste Farbpigmente unter der Oberfläche der Haut regelrecht zu zerschießen. Dabei drohen im schlimmsten Fall Verbrennungen, Pigmentstörungen oder Narben. Laut einer Studie im Auftrag des BfS sind bei knapp einem Fünftel der Behandlungen bleibende Nebenwirkungen aufgetreten. Über die Risiken für die Augen haben wir da noch gar nicht gesprochen. Außerdem muss vor einer Behandlung ausgeschlossen sein, dass die Haut bereits geschädigt ist und vielleicht schwarzer oder weißer Hautkrebs vorliegt. Das kann nur ein Facharzt beurteilen.


Radon ist ein natürliches radioaktives Edelgas und entsteht als Zerfallsprodukt von Uran, das überall im Boden vorkommt.

In einigen Orten (etwa in Bad Gastein) inhalieren Erkrankte in Radonstollen freiwillig das Gas. "Das Radon wirkt schmerzstillend, und zwar anhaltend", ist Badearzt Hans Jöckel vom einzigen deutschen Radonstollen in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) überzeugt.

Helfen soll die Radonbehandlung etwa bei der Bechterew’schen Erkrankung sowie bei chronischer Gicht und altersbedingten Erkrankungen von Wirbelsäule und Gelenken.

Die vom Radon abgegebene Alphastrahlung sorgt laut Jäckel dafür, dass statt entzündungsfördernder Stoffe entzündungshemmende Stoffe ausgesendet werden – die Leiden nehmen ab. Das Bundesamt für Strahlenschutz weist darauf hin, dass Nutzen und Risiko der Therapie kontrovers diskutiert werden. Erhöhte Radonbelastungen seien Ursache für ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko, so die Behörde.

Das Amt warnt auch vor erhöhten Radon-Konzentrationen, die in Gebäuden auftreten. Durch kleinste Ritzen und Spalten dringt Radon ins Haus ein. Eine dauerhafte Erhöhung der Konzentration in der Raumluft um 100 Becquerel pro Kubikmeter führt zu einem um rund 16 Prozent erhöhten Lungenkrebsrisiko. Studien ergaben, dass Radon jährlich in deutschen Wohnungen 1900 Todesfälle verursacht.

Radon-Gebiete sind der Bayerische Wald, das Alpenvorland sowie Teile des Münchners Umlands. Wer nur gelegentlich in den Keller geht, um Bier zu holen, darf aber aufatmen: Ins Bier kann Radon nicht gelangen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.