Punk, Pirat, Picasso
John Galliano, der größte Exzentriker der Modewelt gibt sich in seinen neuen Kollektionen brav.
PARIS „Luxus ist Überzeugung“, sagt Modedesigner John Galliano. „Selbstvertrauen, freie Wahl zwischen Alternativen. Das Recht, du selbst zu sein. Deiner Persönlichkeit entsprechend zu leben. Und dich auch so zu kleiden.“ Die Ansprüche des 47-Jährigen sind hoch: an sich selbst, an seine Models und an seine Kunden.
„Galliano ist einer der kreativsten Köpfe der Modewelt“, sagt Isabel Arnhold von „Elle“. „Seine Haute Couture ist Kunst, die Show immer die spektakulärste.“ So auch am Montag in Paris: In opulenten Roben aus Satin und Brokat, die an bunt bepinselte Blumenkelche erinnerten, defilierten die Models über den Laufsteg.Wie immer auf dem Markenzeichen des Briten: unerhört hohen Schuhen. „Für seine Kollektion 2007 brauchten die Models Begleitherren, um auf den Plateau- Schuhen laufen zu können“, so Arnhold.
„Galliano ist detailverliebt. Gegen ihn wirken die anderen immer ein bisschen langweilig“, sagt Modeexpertin Arnhold. „Hinter jeder Kollektion steckt eine Art Gesamtkonzept, das sich von den Schnitten übers Make-up bis in die kleinste Stickerei erstreckt.“ Bestes Aushängeschild seiner Kreationen ist Galliano selbst. Ob als Punk, mit Piratenhut oder feinem Picasso- Bart: „Er inszeniert sich immer neu“, sagt Arnhold. Betritt er am Ende des Abends den Laufsteg, dann nicht als Mann hinter den Kulissen, sondern als Star.
Jugendwahn für die angestaubte Marke
„Man kann nicht in der Öffentlichkeit auftreten wie jemand, der seine Nächte in wilden Clubs verbracht hat“, sagt der auf Gibraltar geborene Juan Carlos Antonio Galliano, der sich schon als Kind gerne verkleidete. Wie viel dem 47-Jährigen sein Äußeres bedeutet, zeigen auch seine perfekt definierten Bauchmuskeln. „Galliano ist ein wenig dem Jugendwahn verfallen“, meint Arnhold. Angeblich soll er Sportarzt und „Personal Trainer“ sogar mit in den Urlaub nehmen. Seine Persönlichkeit war es auch, die das angestaube Traditionshaus Dior Ende der 90er wieder unter die Top-Marken aufsteigen ließ. „Als ich bei Dior anfing, wollte ich die Spinnweben wegfegen, das Haus wieder zum Leben erwecken“, so Galliano heute. Arnhold: „Dior trägt heute die reiche Dame ab 40, die Stil hat und modern sein will.“
Sein einstiges Klientel aber, die jungen Hippen aus New York, Berlin oder London, erreicht Galliano nicht mehr. „Seit er bei Dior arbeitet, muss Galliano sich dem Haus anpassen. Viele Kollektionen sind tragbarer geworden.“ Auf der Schau heute Abend wagt Galliano sich in ein bislang unbekanntes Metier: Für Swarovski hat er ein Brautkleid kreiiert – funkelnd, fließend, weiblich und auch ein bisschen klassisch.
"Ich lebe um Menschen zum Träumen zu bringen"
Nach Gallianos eigenen Maßstäben könnte man sagen, der Designer ist brav geworden.
Seine ersten Entwürfe 1984 nach dem Abschluss an der St.Martin’s School of Arts in London waren dermaßen extravagant, dass sich kein einziges Stück verkaufte. Galliano stand kurz vor dem finanziellen Ruin. 1987 kam der Durchbruch mit der Auszeichnung „Designer des Jahres“. 1995 machte ihn Givenchy zum Chefdesigner und somit zum ersten Briten, der ein französisches Modehaus leitete. Ein Aufreger in Paris, doch mit seinen akuraten Schnitten und der feinen Verarbeitung eroberte Galliano schnell die Herzen der Très-chic-Society.
Einer seiner Maximen ist der Mode-Revoluzzer aber treu geblieben: Er schneidert keine Damenhosen. „Ich lebe, um Menschen zum Träumen zu bringen, sie zu verführen, wunderbare Kleidung zu kaufen. Das ist meine Pflicht.“Hosen passen da nicht hinein. Anne Kathrin Koophamel
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