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"Räume der Stille“ auf Flughäfen, in Stadien und Hotels: Warum immer mehr Menschen den Luxus Stille suchen, fürs Schweigen zahlen und auch der BR diesen Samstag mitmacht.
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"Räume der Stille“ auf Flughäfen, in Stadien und Hotels: Warum immer mehr Menschen den Luxus Stille suchen, fürs Schweigen zahlen und auch der BR diesen Samstag mitmacht.

„Man braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen, aber fünfzig Jahre, um schweigen zu lernen.“

Ernest Hemingway (1899-1961)

Keine Gespräche, nichts lesen, kein Fernsehen, keine Musik, Handy und Laptop bleiben aus. „Inaktivitätstag“ heißt das in der Allgäuer Klinik, in der die Kommunikations-Professorin Miriam Meckel nach ihrem Burnout behandelt wird.

Die 42-jährige Lebensgefährtin von TV-Talkerin Anne Will soll alle äußeren Reize ausblenden, sich ganz auf ihr Inneres konzentrieren. Ihr wird der „kommunikative Stubenarrest“ von den Ärzten verordnet. „Um einen Raum in mir entstehen zu lassen und zu öffnen, in den ich dann blicken kann, um zu empfinden und zu verstehen“, schreibt sie in ihrem neuen Buch „Brief an mein Leben“ (Rowohlt).

Diesen Raum jenseits der Stille – den Weg in ihr Innerstes – suchen immer mehr Menschen. Freiwillig – ohne, dass ihr Körper die Notbremse gezogen hat.

Sie nehmen Auszeiten in Klostern, buchen kostenpflichtige „Schweige-Retreats“ und Meditationswochen, nutzen die „Räume der Stille“ auf Flughäfen und Bahnhöfen, in Fußballstadien und Universitäten. Hotels wie das Sheraton in Chicago werben damit, dass die Gäste ihre Mobilfunkgeräte kostenlos wegschließen können.

Andere wie die Südtiroler Wellness-Oase Vigilius bieten Zimmer ohne TV, Radio und Internet an. Zimmer, in denen man mit sich allein ist – ohne Wlan, Instant-Messaging, Facebook und Youtube.

Das Bedürfnis nach Stille wächst – nicht nur in evangelischen Kirchen, die 2010 zum „Jahr der Stille“ erklärt haben – auch im Fernsehen. Der BR widmet der Schweigekultur und Selbstreflexion am heutigen Samstag ab 20.15 Uhr gleich einen ganzen Themenabend. Zwischen Caroline Links Film „Jenseits der Stille“ und Philip Grönings „Die große Stille“ (22.50 Uhr) über das Karthäuserkloster Grande Chartreuse läuft Hans-Günther Kaufmanns berührende Doku „Stille – das scheue Glück“ (22.05 Uhr) mit Nina Ruge als Moderatorin. „Ganz schön mutig, so ein Titel“, findet sie. „Wo doch Fernsehen alles andere ist als Stille.“

„24 Stunden nur Stille im Fernsehen, das geht nicht“, sagt der BR-Programmbeauftragte Andreas Bönte zur AZ. „Unser Ziel muss es sein, manches zu entschleunigen – wie bei der ,Space Night’.“ Das kultige Nachtprogramm – Bilder aus dem All, unterlegt mit sphärischer Musik – startete 1994 als Ersatz für die Testbilder. „In einer Nachrichtensendung geht’s natürlich nicht ohne Ton. Aber sonst wird oft zu vieles zugetextet. Wir brauchen mehr Bilder, die für sich sprechen.“

Das sieht Hans-Günther Kaufmann ähnlich – die Stille-Doku ist das Regie-Debüt des renommierten Fotografen: „Stille ist Luxus in unserer medialvernetzten und von Lärm umtosten Welt. Und ein Luxus, den sich jeder leisten sollte.“ Der 65-Jährige mit den blitzenden Bubenaugen zur AZ: „Stille ist für mich nicht immer gleichbedeutend mit dem Fehlen von Lärm. Aber mit der Abwesenheit von Zivilisations-Radau.“

In seinem Film rauscht ein Bach, plätschern Regentropfen auf einen Waldsee... „Geräusche, die zum Leben gehören“, sagt der Miesbacher. „Die niemanden krank machen, sondern uns helfen, unseren inneren Akku aufzuladen. Damit wir uns finden, uns bejahen und daheim sind bei uns selbst.“

Das „Mich-neu-Denken“, das Alleinsein mit sich selbst, ist nicht einfach, kann ein schwieriger und langer Weg sein. Miriam Meckel beschreibt ihn ungeschönt und selbstkritisch. Ihr Fazit auf den letzten Buch-Seiten, auf denen sie sich direkt an ihr eigenes Leben wendet: „Ich habe deine Benutzeroberflächen verstanden, nicht aber dein Betriebssystem. Ich habe nie gefragt, was dich wirklich im Innersten antreibt.“

Inzwischen macht sie nur noch „so viel, wie ich in vorhandener Zeit mit gutem Gefühl tun kann“, ist nicht mehr ständig erreichbar. Auf Reisen checkt sie ihre Mails mitunter nur alle zwei Tage. „Das war früher undenkbar.“

Renate Schramm

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