Prozesse wegen HIV-Ansteckungen: Der Beweis ist schwierig

Rund zehn Mal im Jahr gibt es solche Prozesse. Medizinisch ist ein Nachweis schwer führbar
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Der niederländische Erfolgsautor Leon de Winter fordert die Freigabe von Dopingmitteln: "Ich würde alle Begrenzungen aufheben."
dpa Der niederländische Erfolgsautor Leon de Winter fordert die Freigabe von Dopingmitteln: "Ich würde alle Begrenzungen aufheben."

Rund zehn Mal im Jahr gibt es solche Prozesse. Medizinisch ist ein Nachweis schwer führbar

Prozesse wegen HIV-Ansteckungen sind selten. „Vielleicht zehn im Jahr, mehr nicht“, sagt Michael Tappe, stellvertretender Geschäftsführer der Münchner Aidshilfe. Medizinische Beweise sind schwer. „Man kann für eine kurze Zeit schon zeigen, dass das Virus, das übertragen wurde, von einer bestimmten Person ist. Die Viren ähneln sich.“ Je länger der Fall aber zurückliegt, umso schwieriger wird es.

Denn das HIV-Virus verändert sich ständig. Experten bezweifeln, dass bei Nadja Benaissa ein solch viraler Beweis möglich ist: Die Ansteckung soll 2004 gewesen sein. Auch sonst sind die Beweise in solchen Fällen schwer zu erbringen. „Der Mann müsste zum Beispiel nachweisen können, dass er bis dahin HIV-negativ war“, sagt Tappe. Und, dass er außer mit Benaissa mit keiner anderen HIV-positiven Frau verkehrte.

Dennoch kommt es immer wieder zu Verurteilungen. Spektakulär war ein Fall aus Würzburg: Ein kenianischer Discjockey wurde zu acht Jahren verurteilt, weil er mindestens mit sieben Frauen ungeschützt schlief, ohne von seiner Infektion zu erzählen, zwei davon steckte er an. 2007 bekam ein Monteur in Köln acht Jahre, weil er vier Frauen wissentlich ansteckte und mit unzähligen anderen Frauen ungeschützt schlief.

Hat jemand seine Infektion verschwiegen und seinen Sexpartner angesteckt, ist das gefährliche Köperverletzung – so lautet auch die Anklage bei Benaissa. Verschweigt jemand HIV beim ungeschützten Sex, steckt den Partner aber nicht an, ist das meist versuchte Körperverletzung. „Allerdings ändert sich da gerade die Rechtssprechung“, sagt Michael Tappe von der Aidshilfe. Es gab Freisprüche für HIV-Positive, die in einer erfolgreichen medikamentösen HIV-Therapie sind und dadurch nicht mehr ansteckend sind. „Deutsche Gerichte erkennen die Definition der Schweizer Eidgenössischen Kommission an: Ein Infizierter gilt als nicht ansteckend, wenn seine Virenzahl mindestens sechs Monate unter der Nachweisgrenze ist, er unter ständiger ärztlicher Kontrolle ist und keine anderen sexuell übertragbaren Krankheiten hat“, sagt Tappe.

Dass Betroffene andere absichtlich anstecken, ist laut Münchner Aidshilfe die absolute Ausnahme. „Wir kennen schon Fälle, wo es zu ungeschütztem Sex kam. Das hat aber meistens mit Verdrängung zu tun, und mit der Angst, sich zu offenbaren.“

Ein öffentlicher Prozess wie der gegen Benaissa sieht Tappe mit gemischten Gefühlen: „Das könnte dazu führen, dass manche denken: ,Unwissenheit schützt vor Strafe’ und sie sich nicht testen lassen.“

Tatsächlich hat die Münchner Aidshilfe aber nach Benaissas Verhaftung die gegenteilige Erfahrung gemacht „Es kamen direkt danach unglaublich viele Leute, um sich bei uns testen zu lassen.“ ta

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