Kleiner Tochter Keime gespritzt? - Prozess gegen Mutter

Schwere Vorwürfe gegen eine Mutter vor dem Landgericht Heidelberg. Sie soll ihre Tochter absichtlich krank gemacht haben. Aber ist sie schuldfähig?
Anika von Greve-Dierfeld, dpa |
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Die 26-Jährige soll ihre Tochter mit der Injektion von Keimen krank gemacht und gehalten haben.
Die 26-Jährige soll ihre Tochter mit der Injektion von Keimen krank gemacht und gehalten haben. © Anika von Greve-Dierfeld/dpa
Heidelberg

War sie eine fürsorgliche Mutter, die das Wohl ihrer Kinder über alles stellt? Oder fügte sie ihrer Tochter absichtlich Schaden zu? Die Vorwürfe gegen die zierliche Frau, die auf Krücken in den Gerichtssaal humpelt, wiegen schwer. Die 26-Jährige soll ihrem damals dreijährigen Kind über einen Venenkatheder Keime injiziert haben. Vor dem Landgericht Heidelberg wird ihr gefährliche Körperverletzung und Misshandlung Schutzbefohlener vorgeworfen.

Angeklagte äußert sich nicht

Laut ihres Partners, Vater ihrer beiden Töchter, liebt sie ihre Kinder über alles. "Sie wollte immer, dass es ihnen gut geht", berichtet der gelernte Krankenpfleger in seiner gut zweistündigen Vernehmung. Er glaube ihr auf jeden Fall, dass sie mit den Vorwürfen nichts zu tun habe. Nie sei ihm etwas aufgefallen, alles habe seine Partnerin mit ihm besprochen. Die Angeklagte selbst lässt zum Auftakt des Verfahrens über ihren Anwalt mitteilen, dass sie zunächst keine Angaben zur Sache und zur Person machen wird. Dem Verfahren folgt sie aufmerksam. 

Ziel der Mutter war es, den Gesundheitszustand des Kindes im Sommer 2023 weiter zu verschlechtern, sodass dessen Weiterbehandlung in einer Klinik erforderlich werde, sagt die Staatsanwältin. Für bleibende Schäden gibt es laut einem Gerichtssprecher nach Aktenlage aktuell keine Hinweise. Die Anwältin der Nebenklage, die das Kind vertritt, äußert sich dazu nicht. 

Sachverständige vermuten Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom

Die Staatsanwaltschaft geht von einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung der Mutter aus. Außerdem soll sie unter einer Opioid-Abhängigkeit leiden. Ein Sachverständiger vermutet im Vorfeld des Prozesses zudem das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Eltern, die diese Störung haben, machen ihre Kinder absichtlich krank, um Anerkennung zu bekommen und sich selbst als aufopferungsvollen Menschen darzustellen. Die Anklage geht davon aus, dass die Mutter zum Tatzeitpunkt nur erheblich eingeschränkt handlungsfähig war. Sie will einen Antrag auf Unterbringung in die Psychiatrie stellen. 

Vor Gericht entblättert sich eine lange Krankengeschichte - des Vaters, der angeklagten Mutter und des erstgeborenen Kindes, dem die Mutter die Keime injiziert haben soll. Ihr Partner berichtet von einer schweren Kindheit seiner Freundin. Zu ihrer Mutter habe diese keinen Kontakt mehr. Für deren Vernehmung wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. 

Die Angeklagte leidet der Aussage ihres Partners zufolge unter Knieproblemen und hat zudem seit Jahren Endometriose, eine sehr schmerzhafte Unterleibserkrankung. Während beider Schwangerschaften ist sie auf Schmerzmittel beziehungsweise Schmerzpflaster angewiesen. Beide Kinder haben Entzugserscheinungen nach der Geburt. Für die zweite Tochter steht früh eine Kindeswohlgefährdung im Raum, als entsprechende Entzündungswerte auffällig sind. Sie lebt nach der Geburt einige Monate in einer Pflegefamilie, bevor sie wieder zurückkommt. Der Vater hat zwischenzeitlich eine Lungenentzündung und einen Herzinfarkt.

Unerklärliche Fieberschübe des Kindes

Mit Blick auf die erstgeborene Tochter berichtet der Vater von zahllosen Arztbesuchen in den ersten drei Jahren ihres Lebens. Von ständig wiederkehrenden Infekten, immer wieder hohem Fieber. Drei Kinderärzte behandeln das Kind. Eine Ursache finden sie nicht. Irgendwann steht eine Mandeloperation an. Die damals Dreijährige kommt in die Uniklinik Heidelberg. Immer wieder hat sie auch dort Fieberschübe - so unerklärlich, dass das Krankenhaus schließlich den Verdacht auf Manipulation durch die Mutter hat. Sie muss das Krankenhaus verlassen. Der Vater betreut nun das Kind während des Aufenthaltes dort. 

Geschah etwas im Krankenhaus? 

Was und ob dort wirklich etwas geschah, als die Mutter noch für die Betreuung zuständig war, bleibt zunächst offen. Niemand hat etwas beobachtet, sagt der Kindsvater. Nach der Entlassung der Tochter aus der Heidelberger Uniklinik zieht der Vater mit den beiden Kindern zu den Eltern. Die Mutter hat nur begleiteten Umgang mit den zwei Töchtern, verfügt das Familiengericht. Sie beide seien weiterhin ein Paar, sagt ihr 35 Jahre alter Partner. 

Der 35-Jährige geht fest von Unschuld und Freispruch seiner Partnerin aus. Er will mit ihr und den Kindern wieder zusammenwohnen. Eines aber sei für ihn klar, seine Stimme klingt fest: Sollte seine Partnerin sich als schuldig herausstellen, werde er sich trennen. Am 6. Juni könnte ein Urteil fallen.

Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

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