Premiere: Erstmals Frauen bei "Blutritt"
München - Mit einem Ritt durch die Morgendämmerung geht für Simone Rürup ein langgehegter Wunsch in Erfüllung. Die Bürgermeisterin der 5.200-Seelen-Gemeinde Baindt (Landkreis Ravensburg) wollte nach mehr als 900 Jahren eine der ersten Frauen sein, die beim "Blutritt" in Weingarten mitreitet - der nach Angaben der Stadt größten Reiterprozession Europas.
Seit 2014 wohnt sie in der Region, sagt Rürup. Stets sei sie als Zuschauerin dabei gewesen. "Aber es war schon immer mein Wunsch mitzureiten - wenn möglich."
Erstmals Frauen beim "Blutritt" dabei
Frauen als "Blutreiterinnen" - das war trotz jahrelanger Diskussionen bisher nicht erlaubt. Ein Antrag, die katholische Prozession um die Heilig-Blut-Reliquie in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen, scheiterte an der fehlenden Offenheit für Frauen.
Erst im November 2020 machte der Kirchengemeinderat den Weg frei für Frauen auf Pferden. 2021 verhinderten Corona und fehlende Satzungsänderungen der Reitergruppen deren Teilnahme. Am Freitag ritten nun auch einige Blutreiterinnen in Frack und Zylinder mit. Eine genaue Zahl konnten die Veranstalter nicht nennen.
Dass Frauen nun mitreiten dürfen, sei "ein tolles Zeichen", sagt der katholische Dekan in Weingarten, Ekkehard Schmid. "Das ist das Volk Gottes, da wird nicht aufgeteilt." Entscheidend sei die Haltung der Teilnehmer, nicht deren Geschlecht.

Mit dem Frauen-Verbot war der "Blutritt" in Süddeutschland aber längst nicht allein. Das Ausfischen des Stadtbachs in Memmingen im Allgäu, das Froschkuttelnessen in Riedlingen zur Fasnet, die Trommlergruppen beim Ravensburger Rutenfest oder die Löbliche Singergesellschaft in Pforzheim waren lange Zeit Männerbastionen. Bei der Öffnung für Frauen gibt es große Unterschiede.
So treffen sich die Riedlinger Narren immer noch als Männerrunde, wenn es ans jährliche Froschkuttelnessen geht. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann war bis 2021 regelmäßig dabei. "Traditionell ist diese Art von Fasnacht nun mal eine Männerfasnacht." Außerdem gebe es seit Jahrzehnten ein gesondertes Froschkuttelnessen der Frauen.
Memminger Landgericht urteilt für die Frauen
Einen ähnlichen Weg geht man beim Ravensburger Rutenfest: Dort wird dieses Jahr erstmals eine reine Trommlerinnen-Gruppe teilnehmen.
In Memmingen war dagegen ein Gerichtsverfahren nötig, damit Frauen beim Fischertag für den Wettbewerb um den Fang der dicksten Forelle in den Stadtbach springen dürfen. Ein weibliches Mitglied klagte gegen den Verein - und bekam Recht: Weibliche Vereinsmitglieder dürften nicht aus Tradition von der Teilnahme ausgeschlossen werden, urteilte das Memminger Landgericht im Juli 2021. Der Verein änderte daraufhin seine Satzung.
Im Juli dürfen damit erstmals auch offiziell Frauen den Stadtbach ausfischen.
Reine Männersache bleibt vorerst eine der ältesten deutschen Bürgerinitiativen: die Löbliche Singergesellschaft in Pforzheim, der ehrenamtliche Kulturveranstalter der Stadt. Zwar hätten 2021 rund 60 Prozent der Mitglieder für eine Aufnahme von Frauen gestimmt, sagt Obermeister Christoph Mährlein. "Wir hätten laut Satzung aber 75 Prozent gebraucht."
Wegen des Frauen-Verbots seien schon zehn Mitglieder ausgetreten.
- Themen:
- Panorama
- Winfried Kretschmann