Polizeiliche Kriminalstatistik: Psychotherapeut im Interview - Immer mehr Gewalt

Der Psychotherapeut Christian Lüdke spricht in der AZ über die steigende Brutalität von Gewalttätern.
Rosemarie Vielreicher |
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Ein Psychotherapeut spricht im AZ-Interview über Gewaltaten.
AZ-Montage/dpa Ein Psychotherapeut spricht im AZ-Interview über Gewaltaten.

Der Psychotherapeuten Christian Lüdke ist Spezialist für die Betreuung von Gewalt- und Kriminalitätsopfern. Sein neues Buch heißt "Wehr dich!" Er hat mit der AZ gesprochen.

AZ: Herr Lüdke, Thomas de Maizière warnt vor einer zunehmenden Verrohung in Deutschland. Nehmen Sie das auch so wahr?
CHRISTIAN LÜDKE: Ich möchte nicht pauschal sagen, die Gesellschaft verroht, aber die einzelnen Taten werden brutaler. Man denke nur an die U-Bahn-Treter oder auch an den Fall bei Ihnen in Bayern. Es wird nicht mehr nur eingebrochen, sondern Rentner einfach umgebracht. In diesen Fällen schrecken die Täter vor gar nichts mehr zurück.

Woher kommt das?
Brutalität und Gewalt entspringen immer aus Ohnmachtsgefühlen. Das sind Menschen, die im Inneren extrem hilflos und ohnmächtig sind. Sie verwandeln dieses Gefühl kurzzeitig durch Gewalt in Allmacht. Sie denken: ‚Dann bin ich wer, dann muss man mich wahrnehmen.’

Gibt es noch weitere Gründe?
Ein anderer Aspekt ist nach Freud die Übersprungshandlung. Das bedeutet, diese Menschen haben in einem Lebensbereich einen Konflikt – sei es zuhause, in der Schule, in der Partnerschaft oder Ähnlichem. Dort, wo sie den Konflikt haben, können sie ihn aber nicht lösen. Dadurch bauen sich Aggressionen auf, die sie dann an einer anderen Stelle entladen. So können wehrlose, unbeteiligte Menschen Opfer einer Gewalttat werden.

Was kann die Gesellschaft dagegen unternehmen?
Das Zauberwort heißt Bildung. Je früher in Bildung investiert wird, desto geringer ist die Chance, dass es zu Gewalttaten kommt. Bildung meine ich hier im umfangreichen Sinne – auch emotional, sozial und mehr.

Und was kann man bei jungen Menschen tun, die schon straffällig geworden sind?
Hier würde ich für härtere und frühere Strafen plädieren. Viele Jugendtäter, die ich erlebe, sehen ihren Prozess als einen Freispruch zweiter Klasse. Erst dauert es ein Jahr, bis das Verfahren beginnt, und dann werden sie ermahnt oder bekommen eine Bewährungsstrafe. Die sagen sich dann: "Das ist ja gar nicht so schlimm, die lachen sich darüber kaputt."

Braucht’s strengere Gesetze?
Unser deutsches Strafrecht ist eines der besten weltweit. Man bräuchte mehr mutige Richter, die die Möglichkeiten sehr schnell und deutlich ausschöpfen.

Lesen Sie auch: "Verrohung" der Gesellschaft? Polizeiliche Kriminalitätsstatistik : Immer mehr Gewalt

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