Politiker regen sich über Twitter-Prognose auf
Das Vorab-Verbreiten von Wahlprognosen - auch via Twitter - kann hierzulande mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro belegt werden. Politiker fordern nun eine spätere Veröffentlichung von Exit Polls.
Wegen der Twitter-Veröffentlichung von Wahlprognosen haben Politker Änderungen an dem Veröffentlichungsmodus der so genannten Exit-Polls gefordert. "Würde man den Zeitpunkt von 16 auf 17 Uhr verlegen, würden die Manipulationsmöglichkeiten erheblich reduziert", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (KSta). Es bestehe die Gefahr, dass eine Wahl verfälscht wird, ergänzte Bosbach. "Das schadet der Demokratie."
Derzeit machen die Zahlen meistens so gegen 16 Uhr die Runde und werden bis 18 Uhr von Politkern und Journalisten geheim gehalten. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz fordert nun ein konsequentes Vorgehen gegen die Vorabverbreitung: "Die gesetzlichen Möglichkeiten müssen voll ausgeschöpft werden, das ist schlicht und einfach eine Sauerei", sagte Wiefelspütz am Montag der dpa in Berlin.
Verbot prüfen
Wiefelspütz warnte vor Schnellschüssen, sagte aber auch, dass man eventuell ein Verbot der Wählerbefragungen am Wahltag prüfen müsse. "Wir müssen sehen, ob die jetzigen Abläufe so korrekt sind", betonte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, sagte dem "KSta", die Vorabveröffentlichung sei zwar inakzeptabel, aber "kein Anfechtungsgrund für die Wahl". Der Liberale fügte hinzu: "Wir brauchen die Daten."
50.000 Euro Strafe
Zu den Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und in Thüringen lagen bereits vor der Schließung der Wahllokale detaillierte Prognosen vor. Sie wurden gegen 16.30 Uhr via Twitter verbreitet. Die Zahlen unterschieden sich nicht wesentlich von den Zahlen, die um 18.00 Uhr in ARD und ZDF verbreitet wurden. Die Sender stützen sich dabei auf Infratest dimap und die Forschungsgruppe Wahlen. Das Vorab-Verbreiten von Prognosen ist verboten. Es verstößt gegen Wahlgesetze, Wahlen werden anfechtbar. Der Hamburger Medienrechtler Ralf Burmester sagte der dpa, die Wahlgesetze seien eindeutig: "Das kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro belegt werden. Das kann vom jeweiligen Wahlleiter festgelegt werden." Dabei sei die Art der Verbreitung nicht entscheidend. "Es geht um die Veröffentlichung. Ob die ein Flugblatt verschicken oder eben per Twitter oder im Radio oder wie auch immer - es ist durchgängig unzulässig, wenn es vor Schließung der Wahllokale erfolgt, weil eben immer die Gefahr der Wählerbeeinflussung gegeben ist." Auch der Bundeswahlleiter wies darauf hin, dass die Vorabveröffentlichung der Ergebnisse von Nachwahlbefragungen bei der Bundestagswahl einen gravierenden Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz darstellt. "Egal, ob über Twitter oder über andere Informationswege, die Rechtslage ist eindeutig: Vor Schließung der Wahllokale dürfen keine Ergebnisse von Wählerbefragungen nach der Stimmenabgabe veröffentlicht werden", sagte Bundeswahlleiter Roderich Egeler
Gefahr der Wählerbeeinflussung
Die sächsische Landeswahlleiterin prüft indes die Verbreitung der Prognosen vor dem Wahlende. «Wir versuchen, dem Vorgang nachzugehen», sagte eine Mitarbeiterin der Behörde in Kamenz am Montag auf Anfrage. "Beschwerden per Mail oder Fax gibt es noch nicht." Aufmerksam geworden sei das Büro durch einen Bericht von "Spiegel online". Demnach gehörte ein Account, über den Prognosen zu Sachsen versandt wurden, einem CDU-Funktionär aus Radebeul bei Dresden.
Für die Bundestagswahl am 27. September hatte sich Wahlleiter Roderich Egeler schon vor einigen Tagen sehr besorgt gezeigt - er sprach von einem GAU, wenn vor der Schließung der Wahllokale Ergebnisse verbreitet würden. Bereits bei der Wahl des Bundespräsidenten am 23. Mai war vor der offiziellen Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch Bundestagspräsident Norbert Lammert der Sieg Horst Köhlers über Twitter verbreitet worden. (nz/dpa)