Papst-Wahl: Public Viewing im Dom

Gläubige und Geistliche verfolgen die Papstwahl in der Frauenkirche am Fernseher, den sie – natürlich nur ausnahmsweise – in der Sakristei aufgestellt haben. Die AZ schaut mit
München - Fast ohrenbetäubend laut ist es an diesem Mittwochabend im Sperrengeschoss am Marienplatz. Gesänge hallen aus allen Richtungen. Trauben junger Männer, nicht wenige offenbar schon angetrunken, schwenken Schals. Sie sind erkennbar in Hochstimmung. Nicht wegen des Papstes. Sie sind auf dem Weg ins Stadion.
Bayern gegen Arsenal, das ist präsenter als Rom. Dass vorhin weißer Rauch aus dem Kamin der sixtinischen Kapelle aufgestiegen ist, scheint in der Münchner City kaum jemand mitbekommen zu haben. Oder interessiert es keinen? Sogar der Platz rund um die Frauenkirche ist gähnend leer. Nur ein Mann wartet in der Kälte vor dem Seitenportal. Er ist wegen der Messe gekommen, die für etwa 20 Uhr angesetzt ist. „Meine Tochter singt hier im Chor“, sagt er. „Als ich gehört habe, dass es einen neuen Papst gibt, bin ich sofort losgefahren“, sagt er. „Sogar das Abendessen hab’ ich stehen lassen.“
Drinnen im Dom ist es still, wie es sich gehört in einer Kirche. Etwa 20 Gläubige haben sich eingefunden. Manche stehen in Grüppchen herum und unterhalten sich flüsternd. Andere haben auf den Bänken im Mittelschiff Platz genommen – warten, denken nach, beten. Eine Gruppe junger Mädchen wirkt besonders aufgekratzt. Sie gehören zum Chor, gleich in der Messe kommt ihr großer Moment.
Vorne links in der Frauenkirche ist die Sakristei. Ein schlanker Raum, an der Seite schlichte moderne Einbauschränke aus hellem Holz, in denen auch die liturgischen Gewänder für die Geistlichen aufbewahrt werden. Ein Ort, der normalerweise zur Einkehr und Konzentration vor dem Gottesdienst dient. Jetzt herrscht hier mehr Trubel: Gleich bei der Eingangstür steht ein kleiner Fernseher. Etwa 30 Menschen stehen dichtgedrängt drumherum und starren gebannt auf die Mattscheibe. Ministranten, Mitarbeiter des Ordinariats, auch ein paar Gläubige. Gespannt verfolgen sie das Geschehen live aus Rom.
Wenigstens hier herrscht Aufgeregtheit. Es wird freudig durcheinander geplaudert. – wer wird es wohl werden? Favoriten werden abgeglichen, Wahrscheinlichkeiten abgewägt. Dass es jetzt so schnell ging – da ist man sich einig – hat keiner erwartet. Public Viewing in der Frauenkirche. „Normalerweise steht hier kein Fernseher“, sagt Dompfarrer Wolfgang Huber lachend. „Den haben wir hier reingestellt, seit das Konklave begonnen hat. Wir wollten hier jeden Abend schauen.“
Als sich die Tür zum Balkon des Petersdoms öffnet, der Kardinalprotodiakon Jean-Louis Tauran heraustritt und „Habemus papam“ spricht, wird es still in der Sakristei. Und das bleibt es auch, als der Name „Franziskus“ fällt, den sich der Argentinier Jorge Mario Bergoglio ausgesucht hat. „Aha, mal ganz anders“, sagt ein Zuschauer schließlich. „Was ist denn jetzt los?“ entfährt es einer Gläubigen. Eine andere Dame liefert die wichtigsten Fakten: „Aha, Jesuit und 76.“
Der neue Papst ist auf Anhieb niemandem so recht ein Begriff. Als die Nachricht sich ein wenig gesetzt hat, wirken die meisten trotzdem zufrieden. Zumal der Papstname gleich mal gefällt. Allein dass der Neue „schon so alt“ ist, verwundert einige. Generaldekan Peter Beer räumt ein: „Ich kenne ihn nicht. Jetzt ist es spannend, erst einmal ein wenig mehr über die Person zu erfahren.“
Dann muss er sich fertig machen für die Messe. „Also, pack mas!“, sagt Beer. Der Mesner hilft ihm beim Anlegen der vielen Schichten seines Messgewandes. Dann ist Messe in München. Und danach Fußball.