Päpste-Treffen in Castel Gandolfo
Papst Franziskus hat am Samstag seinen Vorgänger Benedikt besucht, dessen Rücktritt den Wechsel an der Spitze der katholischen Kirche ermöglicht hat. Zu diesem historischen Treffen zweier Päpste begrüßten sich beide mit einer Umarmung auf dem Hubschrauberlandeplatz.
Castel Gandolfo – Anschließend beteten sie gemeinsam in der Kapelle, wo Benedikt Franziskus die traditionell dem Papst bestimmte Betbank anbot. Franziskus lehnte deren alleinige Nutzung mit den Worten „wir sind Brüder“ ab, und beide beteten dann auf derselben Bank.
Es ist ein in der Kirchengeschichte einmaliges Treffen: Der erst vor vier Tagen offiziell ins höchste Kirchenamt eingeführte Jorge Mario Bergoglio traf im päpstlichen Helikopter um 12.15 Uhr in dem kleinen Ort am Albaner See ein. Dort wurde er noch am Heliport von Benedikt persönlich in Empfang genommen.
Dutzende Gläubige, Schaulustige, Fotografen und Journalisten hatten sich vor der päpstlichen Sommerresidenz versammelt – in der Hoffnung, dass sich die beiden Päpste einmal am Fenster zeigen würden. Bergoglio hatte seinen Vorgänger seit dem Abend seiner Wahl mehrmals gewürdigt und zweimal angerufen. Später stand noch ein gemeinsames Mittagessen auf dem Programm. Nun das direkte Zusammentreffen in der päpstlichen Sommerresidenz bei Rom: Dabei dürften wohl kaum Einzelheiten an die Öffentlichkeit dringen.
Eine TV-Übertragung gab es nicht. Es wurde lediglich mitgeteilt, dass sich der emeritierte und der neue Pontifex nach einer herzlichen Begrüßung in die Bibliothek begaben. Die Begegnung gilt als historisch einmalig: Noch nie zuvor in der modernen Kirchengeschichte konnte ein neuer Papst seinen Vorgänger treffen, da dieser schon gestorben war. Erst der überraschende Rücktritt Joseph Ratzingers am 28. Februar schuf eine neue Situation. Das Treffen war aber auch aus anderen Gründen mit Spannung erwartet worden. „Man muss sich nur einmal vorstellen, wie viel die beiden Päpste zu besprechen haben“, begeisterte sich der römische „Il Messaggero“ am Samstag.
„Vatileaks“ könnte Gesprächsthema sein
Papst Franziskus hat sein Amt als Oberhaupt der katholischen Kirche in einer schwierigen Situation angetreten. Zahlreiche Baustellen hinterließ ihm sein Vorgänger, dessen Pontifikat schon heute als eines der krisenreichsten der modernen Kirchengeschichte gilt. Es heißt, Benedikt habe für Franziskus ein Memorandum vorbereitet, dass sich auch mit dem Fall „Vatileaks“ beschäftigen dürfte. Diese letzte große Affäre in der Amtszeit von Benedikt XVI. hatte bis über seinen Rücktritt hinaus Wellen geschlagen. Medien hatten berichtet, ein geheimer Untersuchungsbericht lege aller Heiligkeit spottende Zustände um Macht-, Sex- und Geldgelüste innerhalb der römischen Kurie offen.
Das Geheimdossier zu der Affäre um Dokumentenklau aus den päpstlichen Gemächern liege Franziskus bereits vor, ließ Vatikansprecher Federico Lombardi bereits am vergangenen Wochenende wissen. Benedikt hatte verfügt, dass nur sein Nachfolger den brisanten Untersuchungsbericht lesen solle.
Ein Papst und ein „Schattenpapst“
Der Argentinier Jorge Mario Bergoglio war am 13. März zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt worden. Er ist der erste Nichteuropäer seit fast 1.300 Jahren auf dem Stuhl Petri sowie der erste Lateinamerikaner und erste Jesuit in dem Amt. Joseph Ratzinger war am 28. Februar als erster Pontifex der Neuzeit zurückgetreten. Die einmalige Situation, zwei Päpste gleichzeitig hinter den Mauern des Heiligen Stuhls zu haben, löste bei Kritikern auch Besorgnis aus. „Es droht mit Benedikt XVI. ein Schattenpapst, der zwar abgedankt hat, aber indirekt weiter Einfluss nehmen kann“, sagte etwa der romkritische Theologe Hans Küng kürzlich dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Der deutsche Papst, der am 16. April 86 Jahre alt wird, war am 28. Februar zurückgetreten. Um die Motive seines Rücktritts gab und gibt es zahlreiche Spekulationen. Benedikt selbst hatte gesagt, er könne seinem Amt als Oberhaupt der Weltkirche von 1,2 Milliarden Katholiken wegen altersbedingt nachlassender Kräfte nicht mehr gerecht werden. Andere Beobachter und Vatikankenner spekulierten, der „Vatileaks“-Skandal habe ihn letztlich zum Rücktritt veranlasst.
Seine Entscheidung wurde dennoch von vielen als „revolutionär“ gewürdigt. Nach seinem Aufenthalt in Castel Gandolfo wird sich der emeritierte Papst in ein Kloster im Vatikan zurückziehen, um dort „verborgen für die Welt“ – wie er selber sagte – zu leben. Seinem Nachfolger und der Kirche will er im Gebet beistehen.