Öffentlichkeitsfahndung: Die meistgesuchten Verbrecher Deutschlands - BKA sucht diese Menschen - auch RAF-Mitglieder und NSU-Komplizen gesucht

München - Es ist eine spektakuläre Flucht, die Norman Volker Franz 1997 gelingt: Mit Hilfe einer Strickleiter seilt sich der fünffache Mörder aus einem Gefängnis in Nordrhein-Westfalen ab. Nach einer Flucht quer durch Europa werden Franz und seine Frau 1998 in Portugal festgenommen.

Doch nur ein knappes Jahr später entkommt er wieder – kurz vor seiner Auslieferung. Auf sein Konto gehen Morde an drei Geldboten, zudem ist er wegen Doppelmordes zu Lebenslang verurteilt.
Der Fall zählt zu den ältesten, in denen das Bundeskriminalamt (BKA) öffentlich im Internet nach Personen fahndet. Doch nicht nur Mörder sind darunter, auch Opfer, Vermisste oder unbekannte Tote werden hier gezeigt. Welcher Fall auf die Liste kommt, entscheiden Gerichte. Es müsse besonders sorgfältig abgewogen werden zwischen einer effektiven Tätersuche einerseits und Persönlichkeitsrechten andererseits, heißt es vonseiten des BKA.
Der Vormarsch der Sozialen Netzwerke habe auch die öffentliche Fahndung verändert, vor allem in Bezug auf den Datenschutz. "Fahndungsaufrufe in digitalen Medien – insbesondere bei Facebook oder Twitter – erfordern mehr Prüfungen, als dies bei klassischen Medien der Fall war."
Von der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff kommen mahnende Worte. "Gerade die Öffentlichkeitsfahndung greift intensiv in die Grundrechte ein", erklärt ihr Sprecher. Dies gelte insbesondere bei der Veröffentlichung von Bildern im Internet. "Wird ein Verdacht später entkräftet, bleibt der Betroffene trotzdem als gesuchte Person im Internetgedächtnis gespeichert."
Beim Erfolg einer öffentlichen Fahndung ist die Bandbreite groß: Die Spanne reicht von wenigen Stunden bis hin zu mehrjährigen ergebnislosen Suchen. Nach einer Erhebung des ZDF zum 50-jährigen Bestehen der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" liegt die Aufklärungsquote bei rund 40 Prozent. Mal kommt nach Öffentlichkeitsfahndungen ein wichtiger Hinweis von Zeugen, mal provozieren diese beim Straftäter einen Fehler – und manchmal stellen sich die Gesuchten auch selbst, weil der Druck zu stark wird.
So hofft die Polizei auf Hinweise in derzeit 50 veröffentlichten Fällen, darunter auch jener Ende August in Chemnitz, als drei Männer schwer verletzt wurden, einer von ihnen starb. Nach einem der Tatverdächtigen, Farhad Ahmad, sucht die Polizei bis heute.

Bei den Frauen auf der BKA-Liste handelt es sich zumeist um Opfer – teils aber auch um Fälle von Betrug. Wie beispielsweise im Fall von Dolores Benavides Iglesias, die seit 2015 zusammen mit ihrem Mann Erwin Kraus wegen schweren Betruges und Geldwäsche in Millionenhöhe gesucht wird.

Auch nach der zu viereinhalb Monaten Haft verurteilten Poongodi Kannan fahndet die Polizei seit 2016, wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem betrügerischen Handel von Mobiltelefonen, Tablets sowie weiteren Unterhaltungselektronikartikeln.

Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg sei auch die Empathie, die durch den Aufruf erzeugt wird. So sei das Mitgefühl der Menschen mit den Opfern beispielsweise immer dann besonders groß, wenn Kinder sexuell missbraucht wurden. "Daher wird ein großes mediales Interesse erzeugt und die Vervielfältigung der Fahndung erhöht sich um ein Vielfaches", so ein BKA-Sprecher. Seit 2017 seien nach Missbrauchsfällen dreimal mit Öffentlichkeitsfahndungen die mutmaßlichen Täter gesucht worden. In jedem dieser Fälle wurde binnen 24 Stunden ein Verdächtiger ermittelt.
Aber auch lange zurückliegende Taten können mit Hilfe der Bevölkerung manchmal noch geklärt werden. Darauf hofft die Polizei bei der Suche nach Norman Volker Franz, aber auch im Fall von Bernhard Heidbrenner, der wegen eines geplanten Sprengstoffattentats auf ein Berliner Abschiebegefängnis 1995 auf der BKA-Liste steht.

Auch mutmaßliche Mitglieder der früheren Roten Armee Fraktion (RAF) wie Daniela Klette sowie die Taten rund um den NSU tauchen auf der Liste auf – eine Rangordnung a la "Most Wanted" wie bei der US-Bundespolizei FBI nimmt das BKA aber dennoch nicht vor.
