Obama wirbt mit gewaltigem Pathos für Chicago
Einen großen Auftritt hatte das Ehepaar Obama, als es die Mitglieder des Olympischen Komitees umgarnte. Da wurde nicht nur der amerikanische Traum beschworen, auch Michelles kranker Vater spielte eine Rolle.
Das unwiderstehliche Lächeln von Barack Obama, Ehefrau Michelles Liebe zu ihrem lange schwer kranken Vater und gemeinsame Begeisterung für «Sweet Home Chicago»: Mit dem Präsidentenpaar als schwer auszustechendem Doppel-Trumpf hat die US-Metropole in Kopenhagen ihre Bewerbung für Olympia 2016 präsentiert.
«Chicago ist so offen für die ganze Welt, wie es offen für mich gewesen ist», rief Obama am Freitagmorgen vor dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) aus, ehe sich die Mitbewerber Rio, Madrid und Tokio präsentierten. Da aber hatten der Mann aus dem Weißen Haus und die First Lady den Saal im «Bella Center» längst wieder verlassen. Für ganze 70 Minuten war Obama aus Washington über den Atlantik geflogen, um beim erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Favoriten Chicago und Rio vielleicht in letzter Minute noch die entscheidenden Stimmen zu holen.
«In Chicago verliebt»
In seiner Werbe-Rede wechselten sich persönliche Erinnerungen («Ich hab mich vor 25 Jahren nicht nur wegen Michelle in Chicago verliebt.)» mit gewaltigem Pathos («Egal wer wir sind - Mit harter Arbeit und Disziplin können wir alles schaffen. Das ist nicht nur der amerikanische Traum, das ist auch der olympischer Geist.») und auch mal mit Witz ab: «Sie haben vielleicht schon bemerkt, dass Michelle ein gewaltiges Verkaufsargument für Chicago ist.» Bei diesem Satz schien das Obama-Lächeln so breit wie der Öresund ein paar Kilometer vom IOC-Kongress entfernt. Die 20 Kilometer lange Öresund-Verbindung mit Brücke und Tunnel zwischen Dänemark und Schweden wurde im Zuge gigantischer Sicherheitsvorkehrungen für die Blitzvisite Obamas komplett gesperrt. Dabei war im Saal immer nur von Offenheit die Rede.
Michelle Obama, die vor ihrem Mann sprach, und der Präsident selbst stellten immer wieder ihre persönlichen Geschichten heraus. Sport, das sei für sie immer auch ihr Vater, der im armen, von Afroamerikanern bevölkerten Süden Chicagos bis zu seinem Tod mit multipler Sklerose kämpfen musste. Und dabei doch nie seine Begeisterung für Ballspiele mit den Kindern verlor, wie die First Lady berichtete.
«Ich appelliere auch als Tochter an Sie»
«Ich appelliere auch als Tochter an Sie, für Chicago zu entscheiden», sagte Michelle, und berührte damit vielleicht auch den einen oder anderen der überwiegend männlichen IOC-Mitglieder im fortgeschrittenen Alter. Sie setzte noch einen drauf: «Olympia hat mich unglaublich inspiriert, als ich auf dem Schoß meines Vaters bei den Siegen von Carl Lewis und anderen mitgefiebert habe.» Der auf Hawaii geborene Ehemann Barack hob immer wieder auf seine Wahlheimat Chicago als Schmelztiegel für 113 Zuwanderer- Nationalitäten ab. Das passe einfach perfekt zum weltumspannenden Charakter der «olympischen Familie». Die Stadt habe seinen Vater als Immigrant aus dem afrikanischen Kenia aufgenommen: «Wir sehen wie die Welt aus.» Persönlich besser gepunktet hatte diesmal mit ihrer eigenen Geschichte vielleicht aber doch Michelle. Im Saal war es mucksmäuschenstill, als sie von ihrer Kindheit erzählte und selbst gerührt wirkte.
«Alles perfekt für Chicago gelaufen»
Möglicherweise hatte Ehemann Barack das im Hinterkopf, als er beim etwas verzögerten Verlassen des Bella Center scherzhaft meinte: «Alles perfekt für Chicago gelaufen. Es passt mir nur nicht, dass ich hier immer hinter meiner Frau herlaufen muss.» Obama ging mit seinem Auftritt wegen des als offen geltenden Ausgangs im Kampf mit Rio in Kopenhagen ein nicht unerhebliches Risiko ein: Noch während er und Michelle schon in der Air Force One über dem Atlantik Richtung Washington schwebten, sollte in Kopenhagen hinter den Kulissen weiter um vielleicht entscheidende Stimmen gekämpft werden. Eine Niederlage trotz des massiven Obama-Einsatzes wäre alles andere als gut für das Präsidenten-Image. (Thomas Borchert, dpa)