Neuer Prozess gegen Reemtsma-Entführer

Der Drahtzieher der Reemtsma-Entführung hat das Versteck nie verraten. Jetzt kommt er wieder vor Gericht. Hintergründe und Bilder zur Entführung und den Prozessen.
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Lutz Drach (Gerichtszeichnung zum Prozessbeginn vom 13.09.2004) soll für seinen Bruder Thomas, den Drahtzieher der Reemtsma-Entführung (rechts, Archivfoto vom 18.01.2001), Lösegeld gewaschen haben. Jetzt steht Thomas Drach erneut vor Gericht, weil er...
dpa/Zeichnung: Günther Roeder/ Foto: Rainer Jatsch-Kosling 14 Lutz Drach (Gerichtszeichnung zum Prozessbeginn vom 13.09.2004) soll für seinen Bruder Thomas, den Drahtzieher der Reemtsma-Entführung (rechts, Archivfoto vom 18.01.2001), Lösegeld gewaschen haben. Jetzt steht Thomas Drach erneut vor Gericht, weil er...
...vom Gefängnis aus seinen Bruder erpresst und dessen Entführung organisiert haben soll. Der Grund: Lutz Drach soll bei der Geldwäsche Teile des Lösegeldes "zweckentfremdet und verschwendet" haben. Das Lösegeld...
dpa/Kay Nietfeld 14 ...vom Gefängnis aus seinen Bruder erpresst und dessen Entführung organisiert haben soll. Der Grund: Lutz Drach soll bei der Geldwäsche Teile des Lösegeldes "zweckentfremdet und verschwendet" haben. Das Lösegeld...
...hatte die Familie von Jan Philipp Reemtsma gezahlt, um den Millionär nach 33 Tagen aus dem Kellerloch zu befreien, in dem Thomas Drach ihn gefangen gehalten hatte. Zum Durchklicken: So lief die Entführung ab
dpa/Kay Nietfeld 14 ...hatte die Familie von Jan Philipp Reemtsma gezahlt, um den Millionär nach 33 Tagen aus dem Kellerloch zu befreien, in dem Thomas Drach ihn gefangen gehalten hatte. Zum Durchklicken: So lief die Entführung ab
25. März 1996: Reemtsma wird in Hamburg entführt. Am Tatort bleibt ein mit einer Handgranate beschwertes Schreiben der Erpresser zurück.
Stefan Hesse 14 25. März 1996: Reemtsma wird in Hamburg entführt. Am Tatort bleibt ein mit einer Handgranate beschwertes Schreiben der Erpresser zurück.
26. April 1996: Nach Zahlung der Rekordlösegeldsumme von 15 Millionen Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken (zusammen etwa 15,3 Millionen Euro) wird Reemtsma freigelassen.
dpa 14 26. April 1996: Nach Zahlung der Rekordlösegeldsumme von 15 Millionen Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken (zusammen etwa 15,3 Millionen Euro) wird Reemtsma freigelassen.
24. Mai 1996: Die Polizei findet in Garlstedt bei Bremen das Verlies, in dem Reemtsma gefangen gehalten wurde. Die Tatverdächtigen Peter Richter und Wolfgang Koszics werden kurz danach in Spanien gefasst. Am 14. Februar 1997 werden die beiden als Entführer zu zehneinhalb beziehungsweise fünf Jahre Haft verurteilt.
dpa/Oliver Berg 14 24. Mai 1996: Die Polizei findet in Garlstedt bei Bremen das Verlies, in dem Reemtsma gefangen gehalten wurde. Die Tatverdächtigen Peter Richter und Wolfgang Koszics werden kurz danach in Spanien gefasst. Am 14. Februar 1997 werden die beiden als Entführer zu zehneinhalb beziehungsweise fünf Jahre Haft verurteilt.
29. Mai 1996: In Köln wird Lutz Drach wegen Verdachts auf versuchte Geldwäsche festgenommen. Zwei Tage später wird gegen seinen Bruder Thomas Drach Haftbefehl erlassen, der als Kopf der Entführer gilt.
dpa/Günther Roeder 14 29. Mai 1996: In Köln wird Lutz Drach wegen Verdachts auf versuchte Geldwäsche festgenommen. Zwei Tage später wird gegen seinen Bruder Thomas Drach Haftbefehl erlassen, der als Kopf der Entführer gilt.
27./28. März 1998: Thomas Drach wird in Buenos Aires gefasst.
obs/ZDF 14 27./28. März 1998: Thomas Drach wird in Buenos Aires gefasst.
29. Juli 2000: Polizisten bringen Drach aus Argentinien nach Deutschland, wo er in Untersuchungshaft genommen wird.
dpa/Oliver Berg 14 29. Juli 2000: Polizisten bringen Drach aus Argentinien nach Deutschland, wo er in Untersuchungshaft genommen wird.
8. März 2001: Drach wird vom Hamburger Landgericht wegen erpresserischen Menschenraubs zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Von dem Großteil des Lösegeldes fehlt jede Spur.
dapd/Marcus Brandt 14 8. März 2001: Drach wird vom Hamburger Landgericht wegen erpresserischen Menschenraubs zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Von dem Großteil des Lösegeldes fehlt jede Spur.
14. April 2004: Drachs Haftstrafe verlängert sich. Weil er sich mit Gewalt einer gerichtlich angeordneten DNA-Probe widersetzte, verurteilt ihn das Hamburger Amtsgericht wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu drei zusätzlichen Monaten Gefängnis.
dpa/Kay Nietfeld 14 14. April 2004: Drachs Haftstrafe verlängert sich. Weil er sich mit Gewalt einer gerichtlich angeordneten DNA-Probe widersetzte, verurteilt ihn das Hamburger Amtsgericht wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu drei zusätzlichen Monaten Gefängnis.
25. April 2006: Im erneuten Geldwäscheprozess um das Lösegeld verurteilt das Aachener Landgericht Lutz Drach zu sechseinhalb Jahren Haft. Der Bundesgerichtshof hatte eine Verurteilung wegen Geldwäsche von 2005 zu vier Jahren Haft aufgehoben.
dpa/Günther Roeder 14 25. April 2006: Im erneuten Geldwäscheprozess um das Lösegeld verurteilt das Aachener Landgericht Lutz Drach zu sechseinhalb Jahren Haft. Der Bundesgerichtshof hatte eine Verurteilung wegen Geldwäsche von 2005 zu vier Jahren Haft aufgehoben.
21. November 2008: Der Thomas-Drach-Komplize Bernd Dieter Kramer wird wegen Geldwäsche von Lösegeld-Millionen zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er war 2006 mithilfe einer Interpolfahnddung in Brasilien gefasst worden.
picture alliance 14 21. November 2008: Der Thomas-Drach-Komplize Bernd Dieter Kramer wird wegen Geldwäsche von Lösegeld-Millionen zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er war 2006 mithilfe einer Interpolfahnddung in Brasilien gefasst worden.
Februar 2009: Thomas Drach soll mit Briefen aus dem Gefängnis heraus versucht haben, einen Freund zum Kidnappen seines Bruders anzustiften. Laut Staatsanwaltschaft wollte er sich so von Lutz Drach nach dessen Haftentlassung im Mai 2009 einen Teil des Lösegeldes sichern. 
Wegen Erpressung steht er nun erneut vor Gericht.
dapd/Rainer Jatsch-Koesling 14 Februar 2009: Thomas Drach soll mit Briefen aus dem Gefängnis heraus versucht haben, einen Freund zum Kidnappen seines Bruders anzustiften. Laut Staatsanwaltschaft wollte er sich so von Lutz Drach nach dessen Haftentlassung im Mai 2009 einen Teil des Lösegeldes sichern. Wegen Erpressung steht er nun erneut vor Gericht.

Wo sind die Reemtsma-Millionen? Der Drahtzieher der Entführung hat das Versteck nie verraten. Thomas Drach kommt jetzt wieder vor Gericht. Laut Anklage wollte er den eigenen Bruder erpressen lassen - weil der angeblich „sein“ Geld verprasst.

Hamburg – Der Alptraum scheint für Jan Philipp Reemtsma immer noch nicht vorbei. „Nie tat es mir gut, irgendetwas über die Entführer zu hören oder zu lesen“, schrieb der Hamburger Multimillionär schon kurz nach den 33 Tagen Geiselhaft in seinem Buch „Im Keller“. Jetzt, mehr als 15 Jahre nach der brutalen Verschleppung, muss sich der 58-Jährige wieder mit Berichten über den Drahtzieher Thomas Drach herumschlagen. Denn Drach will wohl mit allen Mitteln um das Rekordlösegeld kämpfen, das er irgendwo versteckt hat.

Aus dem Gefängnis heraus soll der 51-Jährige versucht haben, seinen eigenen Bruder um Millionen erpressen zu lassen. Von diesem Donnerstag an steht er daher erneut vor Gericht. Aus Drachs Sicht habe der jüngere Bruder – der wegen der „Wäsche“ von Lösegeld auch selbst in Haft war – Teile der Beute „zweckentfremdet oder verschwendet“, sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Der Angeklagte sehe sich daher um den „Lohn“ aus dem spektakulären Verbrechen gebracht. Drachs Verteidiger erklärt dagegen, sein Mandant bestreite den Vorwurf.

Eigentlich sollte Drach in neun Monaten aus der Haft entlassen werden, am 21. Juli 2012. Dann hätte er seine vierzehneinhalb Jahre wegen der Reemtsma-Entführung abgesessen. Der neue Prozess könnte den Termin aber kippen – und sogar dafür sorgen, dass Drach sehr lange weggesperrt wird. „Für den Fall, dass er zu mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt werden sollte, kommt die Anordnung der Sicherungsverwahrung in Betracht“, erklärt Möllers.

Schließlich hat Drach eine lange kriminelle Karriere hinter sich. Mit 13 klaut er Autos, mit 18 überfällt er einen Supermarkt, später raubt er eine Bank aus. Die Straftaten bringen ihm fast zehn Jahre hinter Gittern ein. Dann will Drach das ganz große Ding drehen, lebenslang in Luxus schwelgen. Er und seine Komplizen überwältigen den Millionenerben Reemtsma im Frühjahr 1996 vor seinem Haus in Hamburg-Blankenese. Viereinhalb Wochen lang halten sie ihn in einem Verlies in der Nähe von Bremen fest. Angekettet, in Todesangst. Gegen 15 Millionen Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken kommt er frei.

Für Reemtsma ist das Verbrechen eine Tortur. Für Drach ein Geschäft, wie sein Opfer erschüttert feststellt. „Ihr müsst es als eine Art brutale Geschäftsabwicklung auffassen“, schreibt Reemtsma 1996 in einem Brief an seine Frau und seinen Sohn: „Geld gegen JP.“ Drach habe stets versucht, von sich das Bild eines sachlichen Geschäftsmanns zu zeichnen. Doch Reemtsma sieht in ihm eine „Mischung aus zur Schau gestellter Professionalität und Angeberei“ – und fühlt sich an den Fernseh-Dreiteiler „Die Gentlemen bitten zur Kasse“ erinnert. Darin geht es um den legendären Postzugraub in Großbritannien 1963, der den Tätern ebenfalls eine Rekordbeute einbrachte.

Das Geld. Immer wieder das Geld. Nur ein Bruchteil der Beute ist bisher aufgetaucht. Wo hat Drach die Millionen gebunkert? Schweigen, seit Jahren. Ein Antrag auf vorzeitige Haftentlassung wurde daher bereits abgelehnt. Die Ermittler wollen natürlich verhindern, dass Drach später wieder auf großem Fuß lebt – wie gleich nach der Entführung, als er sich nach Südamerika abgesetzt hatte. In einen Nobelbadeort in Uruguay, mit Villa in bester Lage und Traumauto. Luxus pur.

Reemtsma fühlte sich davon verhöhnt. Selbst bei der Höchststrafe von 15 Jahren mache Drach einen „Gewinn von zwei Millionen Mark pro Haftjahr“, rechnete er im Gerichtssaal vor. In seinem Buch schreibt der Mäzen und Sozialforscher: „Was alles hätte man mit diesem Geld machen können, das nun, bevor es von den Verbrechern selbst wahrscheinlich teils verspielt und verprasst, teils für die Vorbereitung weiterer Verbrechen genutzt, mehrheitlich von irgendwelchen Geldwäschern kassiert werden würde.“

Wenn er irgendwann wieder einen Coup plane, dann bitte kein Kidnapping mehr, sagt Reemtsma während der Gefangenschaft zu seinem Entführer. „Man sollte das Menschen nicht antun.“ Das „Herausfallen“ aus der Welt, wie er es empfindet, eine absolute Gleichgültigkeit. Der letzte Text, den Reemtsma vor der Entführung schrieb, dreht sich um Traumatisierung. Um Ereignisse, die ihren Schrecken reproduzieren. Um Menschen, die an das traumatisierende Ereignis psychisch gefesselt sind – und heimgesucht werden von Alpträumen.

 

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