Neuer Chef Maaßen will Verfassungsschutz auf Kurs bringen
Neonazis, die unerkannt morden; Geheimdienstler, die Akten schreddern - der Verfassungsschutz hat das Vertrauen der Bürger verloren. Sein neuer Chef soll es zurückgewinnen, mit Transparenz und Reformen.
Köln - Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen verordnet dem Geheimdienst eine Kurskorrektur - und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) steht dabei demonstrativ an seiner Seite. "Dieses Amt hat Vertrauen verloren in den letzten Wochen und Monaten", sagte Friedrich am Freitag bei der Amtseinführung Maaßens in Köln mit Blick auf die Neonazi-Morde und vom Verfassungsschutz geschredderte Akten. Maaßens Konsequenz aus diesem Befund lautete: "Ich bin überzeugt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz in dieser Zeit auf den richtigen Kurs gebracht werden muss."
Friedrich und Maaßen kündigten weitreichende Reformen an. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt in Köln und den Verfassungsschutzämtern der Länder soll enger werden. Der Geheimdienst soll transparenter werden, gegenüber dem Parlament wie auch gegenüber der Öffentlichkeit. Und eine Modernisierung soll dafür sorgen, dass beim Umgang mit Akten und Daten, aber auch mit V-Leuten, keine Fehler mehr passieren.
Mehr Leute bekommt Maaßen (49) für diese Aufgabe nicht, wie er selbst sagte. Er will aus seinen Abteilungen Experten für eine Stabsstelle abziehen, die sich Gedanken über Verbesserungen machen und diese dann in Auftrag geben sollen. "Eine Stabsstelle kann auch mit einem geringen Personalaufwand betrieben werden."
Die Mitarbeiter des Amtes seien hochmotiviert, aber durch die Aktenvernichtung und andere Versäumnisse bei der Fahndung nach der rechtsextremistischen NSU-Terrorzelle verunsichert. Es gehe darum, die Motivation wieder zu stärken und Vertrauen zurückzugewinnen. "Vertrauen ist die Hauptwährung der Nachrichtendienste", sagte Maaßen. "Ich weiß, dass wir eine sehr schwere Zeit im Amt vor uns haben."
Maaßen - bisher Unterabteilungsleiter Terrorismusbekämpfung im Bundesinnenministerium - war am 1. August zum Nachfolger von Heinz Fromm (64) ernannt worden, der sein Amt wegen der umstrittenen Vernichtung von Akten zur Neonazi-Mordserie aufgegeben hatte. Der Verfassungsschutz war - auf Bundesebene wie in den Ländern - zuletzt wegen Versäumnissen bei der Aufklärung der Morde kritisiert worden.
Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann forderte, die Bekämpfung des Rechtsextremismus müsse effektiver werden. Von einer Abschaffung der Landesämter hält Hartmann nichts. Das Bundesamt müsse die Aufgaben aber besser bündeln und zusammenführen, die Länder müssten ihre Erkenntnisse besser mitteilten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Auch der CDU-Innenexperte Clemens Binninger sprach sich für eine stärkere Zentralisierung der Arbeit der Sicherheitsbehörden aus. "Wissen und Information ist genug vorhanden, aber leider nicht die notwendige Analysefähigkeit, die die gesamte Sicherheitsarchitektur verbindet", sagte er der "Leipziger Volkszeitung" (Freitag).
Die Grünen warfen Friedrich vor, seine Gefolgsleute an den Spitzen der Sicherheitsbehörden unterzubringen, statt sich um deren Reform zu kümmern. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, sagte im Südwestrundfunk (SWR): "Friedrich versucht im gesamten Sicherheitsapparat, sein Küchenkabinett zu etablieren. Das macht mich sehr skeptisch."
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND, Gerhard Schindler, unterstützte die Forderungen aus der Politik nach einer stärkeren Kontrolle der Geheimdienste. "Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn uns die Politik gründlich auf die Finger schaut", sagte der Chef des Auslandsgeheimdienstes der Zeitung "Die Welt" (Samstag).