Nerviges Weihnachtsgedudel: Stille Nacht? Schön wär’s
Was Geschenkekäufer nur relativ kurz beschallt, müssen Verkäufer einen ganzen Acht-Stunden-Tag aushalten: Weihnachtsmusik von Wham und anderen non-stop. Da braucht man gute Nerven
Last Christmas“, „Jingle Bells“, „All I Want For Christmas“, „Oh, Tannenbaum“. In Endlosschleife. Von wegen Festtagsstimmung: „Als Verkäufer braucht man starke Nerven, wenn dieselbe CD den ganzen Tag lang rauf und runter gespielt wird“, sagt ein Verdi-Sprecher. Viel kann man da nicht machen. „Arbeitsrechtliche Bestimmungen gibt es nicht.“ Die Gewerkschaft schlägt Entlastungen vor: musikfreie Pausenräume zum Beispiel.
In Kaufhäusern, Einkaufszentren und Supermärkten graben sich den Angestellten Wham, Maria Carey und Heintje in die Gehörgänge, wieder und wieder. Manche Geschäfte starten das Weihnachtsgedudel schon im Oktober. Auch in Österreich ist das ein Problem: Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) nennt die Dauerberieselung dort eine „psychische Überfrachtung“. Krank mache das, und aggressiv – bis Heiligabend hätten Kaufhausmitarbeiter schon einen Hass auf Weihnachten entwickelt.
„In einer Zeit, wo der Lärm durch die vielen Kunden sowieso schon höher ist, der Stress viel größer ist, wird man noch den ganzen Tag mit den immer gleichen Weihnachtsliedern zwangsbeschallt“, sagt der Vorsitzende Wolfgang Katzian. Da kann schon der Wunsch entstehen, seine Liebste hätte nicht nur George Michaels Herz weggegeben, sondern ihm noch dazu die Stimmbänder rausgerissen.
So richtig Stimmung macht das Weihnachtsgedudel eigentlich nur Haien. Im Sea-Life-Center Hannover werden sie gerade mit Weihnachtshits beschallt – um sie zur Paarung zu animieren.
Aber auch die Kunden finden das Gedudel gar nicht so tragisch. Nur jeden Dritten stört’s. Die Kunden halten sich allerdings auch nicht den ganzen Tag im Laden auf.
Viele Händler wollen keinesfalls auf den Kitschklangteppich verzichten: „Das Weihnachtsgeschäft lebt von der Stimmung“, sagt eine Sprecherin des Deutschen Einzelhandelverbands, Bernd Ohlmann vom bayerischen Verband meint sogar, hier werde „aus einer Mücke ein Elefant gemacht“. Er habe noch nie von Beschwerden gehört.
Gewerkschaftsvertreter Katzian will nicht glauben, dass die „X-Mas Hits Vol. 49“ zum Kaufen anregen. Eher doch „freundliche und motivierte Angestellte“. Vielleicht denken auch Saturn und Karstadt so: Sie lassen Weihnachtslieder nur sparsam rieseln. lka
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