Neid - ein flüchtiges Gefühl

Der teure Luxusschlitten des Nachbarn oder seine bezaubernde neue Begleiterin: Die Deutschen lässt das kalt, zeigt eine Umfrage. Dabei kann Neid auch positiv sein – in Maßen, versteht sich
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Der teure Luxusschlitten des Nachbarn oder seine bezaubernde neue Begleiterin: Die Deutschen lässt das kalt, zeigt eine Umfrage.
dpa Der teure Luxusschlitten des Nachbarn oder seine bezaubernde neue Begleiterin: Die Deutschen lässt das kalt, zeigt eine Umfrage.

MÜNCHEN - Der teure Luxusschlitten des Nachbarn oder seine bezaubernde neue Begleiterin: Die Deutschen lässt das kalt, zeigt eine Umfrage. Dabei kann Neid auch positiv sein – in Maßen, versteht sich

Der Neid gönnt dem Teufel nicht die Hitze in der Hölle, sagt ein Sprichwort. Doch wer will schon in der Hölle schmoren?

Was das Sprichwort beschreibt, ist Neid um des Neides Willen. Damit ist viel gesagt über ein Gefühl, das wohl die meisten Menschen kennen – das aber nur selten angesprochen wird. Schließlich ist die Welt voll von Momenten, in denen sich anfänglich keimende Bewunderung in die Schlingpflanze namens Neid verwandelt: Sei es der Luxusschlitten vor Nachbars Garage, seine neue gut aussehende Begleitung oder die Tatsache, dass manche Menschen allein von Zinsen leben. Dennoch: Die Deutschen scheinen damit gut klar zu kommen.

In einer Umfrage für apotheken- umschau.de gaben 64 Prozent an, Neid sei für sie ein Gefühl, das schnell wieder vergehe. Nur vier Prozent der Deutschen wollten schon einmal ausMissgunst jemand anderem schaden.

Doch was ist überhaupt Neid, jenes als Todsünde verschrieene Phänomen? Ein Gefühl, in dem Ärger, Wut und Traurigkeit mitspielt, so die moderne Wissenschaft. Der Neidforscher Rolf Haubl, Direktor des Sigmund-Freud-Instituts, beobachtet einen „geschlechtsspezifischen Unterschied“. Während neidische Männer eher Wut und Ärger empfinden, fühlen sich neidische Frauen vor allem traurig. Undnoch etwas fand Haubl heraus: Neid ist ein Symptom. Das verstohlene Schielen auf den Porsche des Nachbarn verdeckt, dass es um etwas anderes geht – um Anerkennung, Zufriedenheit, Glück und Sinn. Dabei wäre es falsch, Neid kategorisch zu verteufeln. In Maßen hat die Emotion durchaus eine konstruktive Seite, wie Haubl und andere Wissenschaftler immer häufiger betonen. Es ist ein Antrieb, selbst besser zu werden.

So haben japanische Forscher herausgefunden, dass Neid in denselben Gehirnzentren wirkt, wie körperliche Schmerzen. Neiden tut also wirklichweh. Für die Forscher ergibt sich daraus eine Funktion: Neid spüren wir, wenn unser positives Selbstkonzept („Ich bin der Größte“) mit der Wirklichkeit kollidiert. Das motiviert uns, selbst höhere Ziele zu erreichen. Oder es rüttelt uns wach, nach dem Motto: „Du läufst schneller? Ich geh’ lieber schwimmen.“ So führt eine anfängliche Missgunst dazu, dass Menschen ihre eigene Situation neu überdenken. Vielleicht ist es kein Zufall, dass im Französischen ein Begriff für Neid und Lust steht: l’envie.

Gleichzeitig kann Neid Kollektive erfassen. Die Deutschen kennen solche Debatten zur Genüge: Von Ackermann bis Ernst. Glaubt man den Neidforschern, ist das typisch für moderne Gesellschaften wie unsere. Die Wahrscheinlichkeit einer neidischen Reaktion steige mit der Gleichheit. Zum Vergleich zieht Haubl Kastengesellschaftenheran: „Gesellschaften, denen es gelingt, über ein bestimmtes Religionssystem deutlich zu machen, dass die da oben und die da unten komplett andere Menschen sind, bauen auch gegenüber dem Neid vor, weil der da oben, und der da unten sich erst gar nicht miteinander vergleicht.“

Das beste Mittel gegen Neid scheint übrigens Zufriedenheit: In der Umfrage gaben fast 80 Prozent an, dass sie zufrieden mit dem eigenen Leben sind.

Vanessa Assmann

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