Nachterstedt: Die Suche nach den Vermissten ist eingestellt
Die Katastrophe von Nachterstedt ist für die Beteiligten noch nicht vorbei. Es gibt neue Risse im Erdreich, 39 Bewohner wurden in Ersatzunterkünften untergebracht. Für die drei Vermissten gibt es keine Hoffnung mehr.
Ekkehard Schirrmeister ist entsetzt und froh zugleich. Er und seine Frau Elke haben überlebt, weil sie gerade im Urlaub waren – aber sie haben auch ihr Hab und Gut verloren. Sie wohnten in der Hälfte eines Doppelhauses, das der Erdrutsch zerstört hat. „Freunde haben uns angerufen“, erzählt Elke Schirrmeister. Das Ehepaar war mit dem Wohnmobil in Thüringen unterwegs, als das Unglück geschah. Jetzt ist das Haus hin und die beiden Autos, „Wir haben nur noch das Wohnmobil. Alle Erinnerungen sind weg, Fotos von unseren EItern“, sagt Ekkehard Schirrmeister. Er sagt aber auch: „Unsere Nachbarn sind vermutlich tot, wir leben.“ Für die drei Vermissten gibt es keine Hoffnung mehr. Derweil warnen Experten vor weiteren Erdrutschen.
Zwei Tage nach dem Erdrutsch, der zwei Häuser mehr als hundert Meter in die Tiefe riss, haben Experten in der Nähe der evakuierten Häuser neue Risse im Erdreich entdeckt. „Es ist nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Abbrüchen kommt“, sagt der Sprecher des Bergbau-Unternehmens LMBV, Uwe Steinhuber. Wegen der unsicheren Lage verstärkte die Polizei am Montag die Absperrungen an den Ufern des seit einigen Jahren als Freizeitsee genutzten Gewässers. Aus Sicherheitsgründen sollten mehrere Waldwege zugeschüttet werden. „In der Gefahrenzone besteht Lebensgefahr“, sagt ein Polizeisprecher.
Die Vermissten werden wohl nie gefunden werden. Die Einsatzkräfte haben die Suche nach den drei Menschen inzwischen eingestellt. Man sehe keine Möglichkeit, die Opfer zu bergen. Die ganze Nacht über war mit Wärmebildkameras gesucht worden. Der Katastrophenstab suchte nach Wegen, um sich der Unglücksstelle zu nähern. Bislang war das für die Rettungskräfte zu gefährlich, auch Suchhunde oder ein Roboter konnten wegen des Schlamms nicht eingesetzt werden. Panzer-Pioniere der Bundeswehr hatten das Gelände an der Abbruchkante erkundet.
Die Opfer sind das Ehepaar Ilka (48) und Peter K. (51) und der 50-jährige Thomas S. Der Rettungsfahrer und Vater dreier Kinder schlief, als das Unglück um 4.50 Uhr geschah. Seine Frau Imke, eine Ärztin, hatte gerade Nachtschicht - das rettete ihr das Leben. Der älteste Sohn Tobias brachte nach einer Feier gerade einige Freunde zum Bahnhof. Als er zurückkam, war sein Elternhaus weg. Steffi Nelischer wohnte in dem Doppelhaus, dessen Hälfte in die Tiefe stürzte. „Hinter uns ist die Straße zusammengekracht. Das war wie ein Monster, das hinter uns die Straße auffrisst“, beschreibt sie die Katastrophe.
39 Menschen müssen sich für unbestimmte Zeit ein neues Zuhause suchen. Die meisten durften kurz in ihre Häuser - das Nötigste holen. „Ich habe vor allem persönliche Dinge mitgenommen“, sagt Clemens Handorf. „Bilder, DVDs von der Familie, Unterlagen.“ Sein Haus steht 30 Meter hinter der Abbruchkante, der halbe Garten ist abgestürzt. Zurück ins Haus will er nicht. „Ich kann dort nie wieder ruhig schlafen.“
„Ich habe wahllos um mich gegriffen“, schildert Norbert Pullner. „Bank-Papiere, Ausweise, Rentenunterlagen, ich konnte gar nicht klar denken.“ Die meisten wollen wegziehen. „Man wird doch immer daran erinnert, was geschehen ist“, sagt eine Rentnerin, die nun nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll. „Die Familien, die abgestürzt sind, sind gute Freunde von uns. Sie sind jetzt da unten begraben, niemand weiß, ob sie überhaupt je geborgen werden können. Ich will hier nur noch weg.“
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