Nach Sprengstofffund wird ganzes Dorf geräumt
BECHERBACH - Nach dem Fund von hochexplosivem Sprengstoff und anderer Kriegswaffen muss am Samstagmittag ein ganzes Dorf evakuiert werden.
"So eine Aufregung gab es seit dem Krieg hier nicht mehr", berichtet eine 92-Jährige Anwohnerin und fügt hinzu: "Sprengstoff inmitten eines Ortes aufzubewahren, ist doch unverantwortlich." Das 500 Einwohner zählende Dorf Becherbach im rheinland-pfälzischen Kreis Bad Kreuznach wurde am Samstag vollständig geräumt, weil ein 62-jähriger Waffennarr Unmengen von hochexplosivem Sprengstoff und Waffen in einer Scheune gehortet hatte. Schon kurz nach dem Fund waren am Freitagabend acht umliegende Häuser geräumt worden. Am Samstag folgte nach einer Einsatzbesprechung von Polizei und Sicherheitskräften dann auch der gesamte Rest des Ortes.
Bis 13.00 Uhr hatten alle Bewohner ihre Häuser verlassen. In der Gemeinde bei Meisenheim herrschte gespenstische Ruhe, die erst am Abend gegen 18.20 Uhr durch den dumpfen Knall der kontrollierten Sprengung abends unterbrochen wird. Deren Druckwelle war noch in mehreren Kilometer Entfernung spürbar.
Bei der Evakuierung der 500-Seelen-Gemeinde waren neben Polizei und Feuerwehr unzählige ehrenamtliche Helfern des Roten Kreuzes, des Malteser Hilfsdienst und der Freiwilligen Feuerwehr im Einsatz. Grund war ein ganzes Waffenarsenal, dass der 62-Jährige in seiner Scheune zusammengetragen hat, darunter eine Mine, Handgranaten und eine Kiste mit 50 bis 60 Kilogramm laut Polizei hochexplosiven Sprengstoffs. Es erwies sich als zu gefährlich, das ganze Material erst in Ruhe abzutransportieren und dann an einem entlegenen Ort zu sprengen. Mit Hilfe eines Roboters sollte die Sprengung so nahe an dem Ort erfolgen, dass das Dorf aus Sicherheitsgründen komplett geräumt werden musste.
Die meisten Dorfbewohner kommen bei Bekannten und Verwandten unter, etwa 35 finden in der Turnhalle des Bodelschwingh-Zentrums der "Kreuznacher Diakonie" in Meisenheim Zuflucht. Drei schwerst Pflegebedürftige werden in umliegende Krankenhäuser gebracht.
Vorsichtshalber entschieden die Sicherheitskräfte, die Sprengung in drei Teilen durchzuführen. Die erste sollte eigentlich noch am Samstagnachmittag vor Anbruch der Dunkelheit erfolgen. Doch bis sie dann wirklich kam, war es doch längst dunkel. Erst musste die Besatzung eines Hubschraubers ausgetauscht werden, die vor der Sprengung noch einmal sicherheitshalber das Gebiet überflog. Wegen der erst am Sonntag anstehend en zweiten und dritten Sprengung aber müssen die Bewohner auch die Nacht zum Soinntag fernab ihrer Wohnungen verbringen und weiter bangen. Frühestens in den Mittagsstunden sollte der kleine Ort wieder freigegeben werden.
Es waren Sicherheitsgründe, die die Sprengmeister veranlassten, nicht den gesamten Sprengstoff auf einmal detonieren lassen. In einzelnen Portionen wird das Material dazu jeweils mit einem kleinen, ferngesteuerten Roboter zum Sprengplatz gebracht.
Viele Becherbacher hatten erst am Vormittag von der bevorstehenden Evakuierung erfahren. "Sorgen mache ich mir um meine vier Katzen, die jetzt alleine zu Hause sind", sagt eine Frau. In der Turnhalle der Behinderteneinrichtung verbringen Jung und Alt die Zeit derweil mit Gesellschaftsspielen oder Lesen. Sorgen machen sich die Menschen auch um ihr Hab und Gut. Doch Verbandsbürgermeister und Einsatzleiter Alfons Schneider beruhigt die Menschen: Einsatzkräfte der Polizei und der Feuerwehr sichern den Ort über Nacht weiträumig ab.
Ein Bauernhof, der einige Hundert Meter von der Sprengstelle entfernt liegt, wird zum Schutz der 500 Schweine mit einer Mauer aus Heuballen abgeschirmt. Der sogenannte Gefahrenradius rund um die Sprengstelle betrage 1.000 Meter, erklärt Gerhard Glaser vom Polizeipräsidium Kaiserslautern. Landrat Franz-Josef Diehl lobt derweil die gute Zusammenarbeit und Koordination aller beteiligten Kräfte: "Wir mussten da schnell handeln, und alles hat prima funktioniert."
Wegen einsetzender Dunkelheit wurden die beiden anderen Sprengungen auf Sonntag verschoben. Die Bewohner von Becherbach mussten deswegen auch die Nacht zum Sonntag außerhalb ihrer Wohnungen verbringen. Der Ort bleibt bis voraussichtlich Sonntagmittag vollständig gesperrt. Die meisten Anwohner kamen bei Bekannten und Verwandten unter, etwa 35 wurden in der Turnhalle eines Behindertenzentrums im nahegelegenen Meisenheim aufgenommen. Drei schwer pflegebedürftige Bewohner wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht.
Dass es sich bei dem Sprengstoff um Nitroglycerin handeln soll, wie es zunächst hieß, wollte die Polizei nicht bestätigen. Fest stand den Angaben zufolge jedoch, dass die Ermittler 50 bis 60 Kilogramm Sprengstoff in einer Kiste verpackt fanden. Bereits am Freitagabend waren nach dem Fund des Waffenarsenals in einer Scheune acht Häuser in der näheren Umgebung geräumt und 30 Personen in Sicherheit gebracht worden. Auch eine Kreisstraße wurde gesperrt.
dpa
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