Mythos First Lady

Die Frauen der US-Präsidenten. Nur eine gilt bis heute als Stil-Ikone: Jackie Kennedy.
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Ihre Fans sehen in Michelle Obama „die schwarze Jackie Kennedy Amerikas“.
AP 2 Ihre Fans sehen in Michelle Obama „die schwarze Jackie Kennedy Amerikas“.
Die Trendsetterin: Jackie Kennedy (hier bei ihrer Hochzeit) residierte von 1961 bis 1963 im Weißen Haus.
AP 2 Die Trendsetterin: Jackie Kennedy (hier bei ihrer Hochzeit) residierte von 1961 bis 1963 im Weißen Haus.

Die Frauen der US-Präsidenten. Nur eine gilt bis heute als Stil-Ikone: Jackie Kennedy.

Im ärmellosen Etuikleid lächelt sie vom „Newsweek“-Cover, um den Hals eine Kette mit beerengroßen Perlen. Ein stylisches Déjà-vu – 48 Jahre danach: Michelle Obama kopiert Jacqueline Kennedy, die einzige von 44 US-Präsidenten-Gattinen, die Mode-Geschichte geschrieben hat. Noch ein Grund mehr, warrum ihre Fans schon vor der heutigen Wahl sicher sind: „Michelle Obama wird die schwarze Jackie Kennedy Amerikas.“

Die weiße Jackie (1929 - 1994), die mit ihrer Klein-Mädchen-Stimme, dem Debütantinnen-Lächeln und Grande-Dame-Glamour auf den zweiten Blick nicht viel gemeinsam hat mit der charmanten wie scharfzüngigen 1,80 Meter großen Michelle, hätte das vermutlich amüsiert. Sie hat damals zwar ihren Hollywood-Designer Oleg Cassini beschworen: „Ich will nur Originale tragen und nicht erleben, dass fette kleine Frauen in den gleichen Kleidern herumhüpfen.“ Aber es gefällt ihr, dass sie mit ihren Pillbox-Hütchen, den großen Sonnenbrillen und ihrer unprätentiösen Eleganz eine Stil-Ikone für Millionen Frauen weltweit ist. Immer wieder stiehlt sie bei gemeinsamen Auftritten ihrem charismatischen Mann JFK die Schau.

So beginnt er wenige Stunden vor den Schüssen von Dallas, am 22. November 1963, seine Rede mit den Worten: „Vor zwei Jahren in Frankreich stellte ich mich als der Mann vor, der Jacqueline Kennedy nach Paris begleitete. Hier in Texas beschleicht mich ein ähnliches Gefühl. Warum interessiert sich eigentlich niemand dafür, was der Vizepräsident und ich heute anhaben?“

"Perfekte Mischung aus Optik und Inhalt"

Machen Kleider First Ladies? „Bei ihr war es die perfekte Mischung aus Optik und Inhalt – wie Ausstrahlung, Wärme, Bürgernähe, Intelligenz und Kunstsinn“, sagt Medienwissenschaftler Thomas Knieper. „Dieser Mix machte sie authentisch.“

Das sind auf die eine oder andere Art auch viele ihre Vorgängerinnen. Wie die frühe Feministin Eleanor Roosevelt, die machtsüchtige Rosalynn Carter, die sich als erste First Lady ein Büro im Weißen Haus einrichtet, oder die eitle Nancy Reagan, die an die Sterne glaubt und die Termine ihres Mannes mit einer Astrologin abspricht. Bodenständiger ist die „Großmutter der Nation“, Barbara Bush, die aus Nancys Beauty-Salon im Weißen Haus ein Hunde-Spielzimmer macht. Sie alle kümmern sich um Kinder, Alte und Soldaten, tun Gutes – im Schatten ihres Mannes. Aus dem tritt vor allem die politisch überaktive Hillary Clinton, die ihrem angetrauten Womanizer Bill die Seitensprünge verzeiht und ihn hinterher fast zum First Husband gemacht hätte.

„Jackie ist die Schönste von allen gewesen“, sagte Gero von Boehm, Filmer und Autor des opulenten Bildbandes „Mythos Kennedy“ (Collection Rolf Heyne). „Und natürlich spielen ihr Schicksal und die unglaubliche Disziplin, mit der sie es gemeistert hat, eine entscheidende Rolle bei ihrem Bild in der Öffentlichkeit.“ Norman Mailer bringt es auf den Punkt: „Sie war damals – nach acht Jahren Eisenhower und damit Spießigkeit pur – unser Mythos und Lebenselixier.“

In der US-Verfassung wird die First Lady nicht mal erwähnt

Die frankophile Amerikanerin gilt als d i e First Lady des 20. Jahrhunderts – und hasst den Titel: „ Der klingt wie der Name eines Turnierpferdes.“ Sie hält auch nichts von traditionellen Rollen-Klischees, übernimmt kaum caritative Aufgaben. Lieber kümmert sie sich um ihre beiden Kinder Caroline und John-John († 1999), veranstaltete legendäre Künstler-Abende und lässt das White House, für sie ein „Mittelklasse-Hotel mit Stücken aus einem Schlussverkauf“, aufwändig restaurieren.

In der US-Verfassung wird die Ehefrau des Präsidenten nicht mal erwähnt. In einem internen Papier steht, dass sie Amerika und ihren Mann weltweit repräsentiert, ihm den Rücken stärken und möglichst keine eigenen politischen Ambitionen haben soll. Experte Knieper: „Die First Lady ist das Herz zum Kopf des Präsidenten.“ Pat Nixon sieht es damals anders: „Das ist der härteste unbezahlte Job der Welt“, klagt sie, als ihr Mann 1974 wegen des Watergate-Skandals zurücktreten muss.

Kann Michele Obama die schwarze Jackie Amerikas werden? „Zumindest ist sie die Frau fürs 21. Jahrhundert“, sagt Gero von Boehm. „Sie ist charmant, warmherzig und sehr emanzipiert – was sie aber (noch) nicht dick aufträgt.“

Renate Schramm

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