Mysteriöse Mordserie an Journalisten: Was passierte Wiktorija Marinowa und Dschamal Chaschukdschi?

Die Taten in Bulgarien und in der Türkei schockieren. Die beiden Fälle geben Rätsel auf – und sind nicht die ersten in diesem Jahr.
von  AZ/dd, AZ/oz, AZ/sbc
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Brüssel - Es sind zwei Gewalttaten, die gestern auch in Brüssel und Berlin für Entsetzen sorgten. Sowohl bei der Europäischen Union, als auch in Deutschland herrscht tiefe Betroffenheit über die Morde an der bulgarischen TV-Moderatorin Wiktorija Marinowa (30) und dem Journalisten Dschamal Chaschukdschi (59) aus Saudi-Arabien. Wer steckt hinter den grausamen Taten? Ein Überblick:

Der Fall Wiktorija Marinowa

Am Samstag hatte ein Spaziergänger am Ufer der Donau in Ruse an der bulgarisch-rumänischen Grenze die brutal zugerichtete Leiche Marinowas gefunden. Die TV-Moderatorin des örtlichen Senders TVN war geschlagen, vergewaltigt und dann erwürgt worden. Ihr Handy, ihr Autoschlüssel, ihre Brille und einige Kleidungsstücke sind verschwunden.

„Wir warten noch weitere Ergebnisse der Ermittlungen ab“, erklärte der Präsident des Europäischen Parlamentes, Antonio Tajani, nachdem die bulgarischen Behörden angekündigt hatten, die Hintergründe prüfen zu wollen. Dennoch gibt es einen Verdacht.

Marinowa hatte vor wenigen Tagen die erste Sendung der Reihe „Detektor“ moderiert und dabei zwei Enthüllungsjournalisten interviewt. Beide waren einem Betrugsfall mit EU-Geld auf der Spur. Damit schließt sich der Kreis zu zwei vorangegangenen Journalistenmorden: Im Oktober 2017 erschossen Unbekannte auf Malta Daphne Caruana Galizia. Im Februar starb der slowakische Medienmann Jan Kuciak und seine Verlobte – ebenfalls durch Schüsse. Alle hatten das gleiche Thema: EU-Millionen, die in mafiösen Kreisen versickern.

Zum dritten Mal binnen eines Jahres ist ein Journalist in der EU getötet worden. Zuvor starb bereits Jan Kuciak.
Zum dritten Mal binnen eines Jahres ist ein Journalist in der EU getötet worden. Zuvor starb bereits Jan Kuciak. © Twitter

Es sind die Themen Korruption und Bestechlichkeit, die einige Staaten im Osten der Union nicht loslassen. Im aktuellen Fall ging es um Hunderte Millionen Euro, die Beratungsfirmen als „Kommissionen“ an Beamte für die Vergabe von EU-finanzierten Infrastrukturprojekten gezahlt haben sollen. „Der brutale Mord an Wiktorija Marinowa ist schockierend und lässt nur eine Schlussfolgerung zu: In Mittel- und Südosteuropa ist zunehmend die Pressefreiheit bedroht“, sagte der Vorsitzende der CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Daniel Caspary, am Montag der AZ.

Der Fall Dschamal Chaschukdschi

Chaschukdschi ist wohl zerstückelt worden.
Chaschukdschi ist wohl zerstückelt worden. © dpa

Der Reporter wollte nur ein Dokument für seine Hochzeit abholen, als er am vergangenen Dienstag ins saudische Konsulat in Istanbul ging. Seine Verlobte wartete Stunden, Tage. Chaschukdschi kam nicht mehr heraus. Nun häufen sich die – bislang noch unbestätigten – Berichte aus türkischen Sicherheitskreisen: Man gehe davon aus, dass der Dissident in dem Gebäude getötet wurde.

Unbestritten ist bislang nur, dass der einflussreiche Journalisten, der auch unter dem englisch transkribierten Namen Jamal Khashoggi für die „Washington Post“ schreibt, die Auslandsvertretung am Dienstag betrat. Medien berichten, dass er dort ermordet, zerstückelt und heimlich aus dem Konsulat gebracht wurde. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet von 15 Saudis, darunter Diplomaten, die in zwei Flugzeugen nach Istanbul gereist waren und zum selben Zeitpunkt wie Chaschukdschi im Konsulat waren. Sie seien noch am selben Tag wieder abgereist.

Kronprinz Mohammed bin Salman hatte am Mittwoch gesagt, Chaschukdschi sei nicht in dem Konsulat. Die Türken dürften es gerne durchsuchen. „Wir haben nichts zu verbergen.“

Zum dritten Mal binnen eines Jahres ist ein Journalist in der EU getötet worden. Zuvor starb bereits Daphne Caruana Galizia.
Zum dritten Mal binnen eines Jahres ist ein Journalist in der EU getötet worden. Zuvor starb bereits Daphne Caruana Galizia. © Twitter

Beim aufsehenerregenden Fall geht es nicht nur um das Schicksal eines Kritikers, wie der Berliner Politologe Volker Perthes anmerkt. Die Berichte würden gerade Teil der regionalen Rivalität zwischen der Türkei und Saudi-Arabien. „Lasst uns das nicht mit Spekulationen anheizen, sondern lieber hoffen und beten, dass Dschamal am Leben ist“, so Perthes.

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